Ein Waffenhändler aus dem aargauischen Wallbach ist vom Bezirksgericht Rheinfelden der versuchten mehrfachen vorsätzlichen Tötung freigesprochen worden. Der Mann hatte auf Einbrecher geschossen, die sein Geschäft ausrauben wollten.
Der Fall
Schwer bewaffnete Diebe wollten in ein Waffengeschäft im Fricktal einbrechen. Sie hatten es auf die vielen Waffen abgesehen, die im Geschäft lagerten – eine grosse Lieferung für ein Polizeikorps. Wegen ähnlicher Einbrüche war der Besitzer des Geschäfts vorgewarnt.
In der Nacht des Überfalls Ende Oktober 2020 erwachte der Mann in seiner Wohnung über dem Geschäft. Er beobachte sechs als Polizisten verkleidete Einbrecher. Einer kletterte zum Schlafzimmerfenster im ersten Stock, wo sich der Waffenhändler und seine Frau befanden. Der Waffenhändler holte ein Sturmgewehr und gab mehrere Schüsse ab: Ein Schuss traf den Kletterer am Arm, die anderen gingen in Richtung der Autos der Kriminellen.
Die Gangster aus Frankreich schossen zurück – mit Kalaschnikows und Pistolen. 17 Kugeln trafen die Hausfassade, sieben drangen ins Schlafzimmer ein, berichtete die «Rundschau». Nach der Schiesserei flüchteten die Diebe.
Das sagt die Anklage
Die Aargauer Staatsanwaltschaft eröffnete ein Strafverfahren gegen den Waffenhändler. Vor Gericht stand er wegen versuchter mehrfacher vorsätzlicher Tötung. Für die Schüsse verlangte die Anklage drei Jahre Gefängnis, davon sechs Monate unbedingt.
Der Waffenhändler und seine Frau seien grundsätzlich die Opfer dieses Überfalls, sagte der Staatsanwalt vor Gericht. Trotzdem sei von den Schüssen eine Gefahr ausgegangen. Der Schütze habe sechs Personen (die Einbrecher) gefährdet. Bei einer Schussabgabe nehme man immer eine tödliche Verletzung in Kauf – auch wenn dies nicht beabsichtigt werde.
Ob der Angeklagte die Grenzen der Notwehr in der Aufregung überschritten hat und ihn deshalb keine Schuld trifft, müsse das Gericht beurteilen. Dass er geschossen habe, sei verständlich, so der Staatsanwalt weiter. Dies solle sich strafmildernd auswirken.
Das sagt die Verteidigung
Der angeklagte Waffenhändler, ein erfahrener Schütze und Jäger, sagte vor Gericht, er habe die Einbrecher verjagen wollen. Verletzen oder gar töten sei nicht das Ziel gewesen.
Sein Verteidiger führte im Plädoyer aus, der Angeklagte habe die in seinem Geschäft gelagerten Polizeiwaffen beschützt. Er habe dafür gesorgt, dass diese nicht in die Hände von Kriminellen gelangten. Als guter Schütze hätte er die Angreifer problemlos erledigen können. Er habe aber in dieser Notwehrsituation nur Warnschüsse abgegeben.
Das Urteil
Das Bezirksgericht Rheinfelden sprach den Waffenhändler der versuchten mehrfachen vorsätzlichen Tötung frei. Der Freispruch sei aber kein Freibrief, um mit einer Waffe zu schiessen, sagte die Richterin.
Aus Sicht des Gerichts waren aber skrupellose Räuber am Werk, die eine grosse Menge Waffen stehlen wollten. Das Gefährdungspotential für den Angeklagten und seine Frau sowie für die Bevölkerung sei gross gewesen. Der Waffenhändler habe Verantwortung übernommen, indem er die Kriminellen verjagt habe. Das Gericht hat also beurteilt, wie weit Notwehr gehen darf.
Der Mann reagierte erleichtert auf den Freispruch. Ein Schuldspruch hätte massive Konsequenzen nach sich gezogen. Er ging davon aus, bei einer Verurteilung die Lizenz für das Waffengeschäft mit 14 Angestellten zu verlieren.