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Obdachlose in der Schweiz Notschlafstelle im Quartier – keine gute Idee?

In Olten gibt es Widerstand gegen eine Notschlafstelle im «Nobelquartier». In Baden funktioniert das hingegen, warum?

Notschlafstellen gibt es in der Schweiz vor allem in den grösseren Zentren wie Zürich, Bern oder Genf. Aber auch kleinere Städte haben Bedarf nach Unterkünften für Obdachlose, sagt ein Verein in Olten, der seit Jahren eine Notschlafstelle plant. Der Erfolg der Notschlafstelle in Baden im benachbarten Aargau gibt dem Verein recht. Trotzdem sind Ausgangslage und Umsetzung beider Notschlafstellen unterschiedlich.

Der Verein Schlafgut darf in Olten für zwei Jahre eine Notschlafstelle führen. Die Behörden haben grünes Licht für den Testbetrieb gegeben. Aber das Haus, in dem die Notschlafstelle geplant ist, steht im «Nobelquartier» Schöngrund in Olten. Es gab 18 Einwendungen gegen das Vorhaben. Kritikerinnen und Kritiker befürchten, dass sich Obdachlose im Quartier aufhalten und auch Drogen konsumieren könnten. Noch ist unklar, ob die Einsprachen weitergezogen werden.

Schöngrund-Quartier
Legende: Eine Notschlafstelle mitten im Quartier? Der Verein Schlafgut in Olten steht dahinter, die Anwohnerschaft ist skeptisch. Bähram Alagheband/SRF

Andreas Brun, Co-Präsident des Vereins Schlafgut, sagt: «Wir haben in den letzten sieben Jahren viele Standorte für eine Notschlafstelle gesucht. Brachen, Liegenschaften, und dann kam eine Stiftung, die uns dieses Haus zur Verfügung stellt.» Olten habe immer wieder Obdachlose, die auf der Holzbrücke, beim Bahnhof oder in Tiefgaragen übernachten.

In Baden helfen Tagesstrukturen

Einige Kilometer westlich, in Baden, funktioniert das Konzept einer Notschlafstelle mitten in der Altstadt gut. Der Verein Hope Christliches Sozialwerk führt die Notschlafstelle dort seit 2019. Die Nachfrage nach einem Dach über dem Kopf ist gross.

Die Lage in der Altstadt, neben Kinderspielplatz, Coiffeur, Restaurants und Läden sei kein Problem, sagt Deborah Schenker, Geschäftsleiterin des Vereins Hope in Baden. «Die Nachbarn bringen manchmal auch Kuchen oder einen Sack Kleider vorbei», lobt sie.

Häuser Altstadt
Legende: Die Notschlafstelle in Baden (Ende der Häuserzeile, rote Fensterläden) ist seit drei Jahren in der Altstadt in Betrieb. Das Miteinander laufe gut, sagen die Zuständigen. Bähram Alagheband/SRF

Die Notschlafstelle Baden ist anders aufgestellt als die geplante in Olten. In Olten wird «nur» geschlafen, in Baden gibt es auch ein eigenes Restaurant und Aufenthaltsräume für Obdachlose. Sie dürfen in der Küche oder im Service des Restaurants mithelfen und erhalten so Tagesstrukturen. «Wir haben über 40 Angebote, wir arbeiten zusammen, produzieren, singen, basteln, waschen Wäsche, alles unter einem Dach», sagt Deborah Schenker.

Das Konzept bewährt sich. Die Polizei müsse selten zur Notschlafstelle ausrücken, heisst es auf Anfrage bei der Stadt Baden. Tagesstrukturen für Obdachlose begrüsst auch Jörg Dittmann, Dozierender Soziale Arbeit an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Der Armutsexperte findet, dass Tagesabläufe Obdachlosen Stabilität geben können. «Für Quartierbewohner, die gegenüber Obdachlosen Ängste haben, kann es gut sein, zu wissen, wo diese Menschen versorgt werden», sagt er.

Olten will bewusst «nur» Betten

Dass in Olten nur eine Schlafstelle ohne Tagesstrukturen geplant ist, sei bewusst so gewählt, sagt Andreas Brun vom Oltner Verein Schlafgut: «Es gibt ergänzende Strukturen in Olten. Wir wollen mit ihnen zusammenarbeiten und keine Konkurrenz sein.» Auch in Olten sei eine professionelle Leitung der Notschlafstelle geplant, die mit allen Beteiligten, auch der Anwohnerschaft, einen guten Weg finden müsse.

Betten
Legende: Die Betten in der Notschlafstelle Baden. Hier gibt es auch noch ein Restaurant und Aufenthaltsräume. In Olten hingegen seien bewusst nur Betten geplant, sagt der zuständige Verein. Bähram Alagehban/SRF

Nun gilt es, für die Notschlafstelle in Olten die Finanzierung definitiv zu sichern und das nötige Personal zu finden. In Baden beteiligt sich nach drei Jahren Betrieb neu der Kanton an der Finanzierung der Notschlafstelle, damit diese weiterhin geführt werden kann.

Schweiz aktuell, 02.11.2022, 19 Uhr ; 

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