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OECD-Mindestbesteuerung Weiter warten auf gerechtere Unternehmenssteuern?

Steuern für internationale Grosskonzerne fairer verteilen: Das war das Ziel der OECD-Mindeststeuer. Doch das dauert.

Darum geht es: Mit rund 140 anderen Staaten der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) hat sich die Schweiz dazu bekannt, internationale Firmen mit einem jährlichen Umsatz von über 750 Millionen Euro mindestens zu 15 Prozent zu besteuern. Verschiedene Kantone in der Schweiz lagen bisher unter dieser Grenze und haben mit ihren tiefen Unternehmenssteuern internationale Firmen angezogen. Nun überlegen sie sich, wie sie dennoch als Standorte attraktiv bleiben.

Hier steht die Schweiz – die Innensicht: Seit Anfang 2024 stellen sich Kantone und betroffene Unternehmen um, die Übergangsfrist in der Schweiz läuft bis 2026 (Ergänzungssteuer). In den ersten Jahren rechnet der Bund mit zusätzlichen Einnahmen von 1 bis 2.5 Milliarden Franken. Davon gehen 75 Prozent an die Kantone und 25 Prozent an den Bund (Übergangsbestimmungen in der Verfassung). Die SP schlägt vor, die Gelder hälftig aufzuteilen. Mit Blick auf die schwierigen Budgetdebatten im Parlament gewinnt die Idee Unterstützung anderer Parteien. Der Bund regelt die Umsetzung derzeit per Verordnung. Ein Gesetz folgt später.

Modernes Gebäude mit Glasfassade und Parkplatz bei Dämmerung.
Legende: Internationale Firmen sollen stärker besteuert werden. Wie bleibt der Standort Schweiz dennoch attraktiv? KEYSTONE / Gaetan Bally

Hier steht die Schweiz – die Aussensicht: Um möglichst viele Länder von der Mindeststeuer zu überzeugen, schuf die OECD gleichzeitig ein Druckmittel: Wenn ein Land nicht mitmacht, können andere Länder diese Unternehmenssteuern beanspruchen – oder zumindest einen Teil davon (es gibt zwei internationale Ergänzungssteuern). Das heisst: Wer nicht mitmacht, verliert Steuereinnahmen. Trotzdem lassen sich viele Staaten Zeit mit der Umsetzung. Es machen erst etwa 40 der rund 140 OECD-Staaten mit – neben der Schweiz vor allem EU-Länder, Grossbritannien und Australien.

Das ist der Knackpunkt: Mit ihrer Vereinbarung haben die OECD-Staaten die verschiedenen Ergänzungssteuern anerkannt. Das heisst: Wenn sie auf ihrem Gebiet keine Mindeststeuer einführen, akzeptieren sie, dass andere Länder mit ihren internationalen Ergänzungssteuern auf die Gewinne der Unternehmen oder der Tochtergesellschaften zugreifen. Sollten nun aber viele Staaten auf die internationalen Ergänzungssteuern verzichten, zerfällt das OECD-Mindeststeuer-System. Deshalb äussern sich Experten, Wirtschaftsverbände, aber auch Schweizer Politikerinnen und Politiker kritisch. Das Warten auf gleich lange Spiesse der Länder und gerechtere Steuern für international tätige Unternehmensgruppen dauert an.

Kaskadensystem als Druckmittel: Bei der OECD-Mindeststeuer greifen verschiedene Ergänzungssteuern in einer Kaskade. Da ist zuerst die Ergänzungssteuer im Inland – sie wird den betroffenen Firmengruppen im Inland verrechnet, damit sie auf die minimal 15 Prozent kommen. Es folgt die erste internationale Ergänzungssteuer, die es möglich macht, ausländische Tochtergesellschaften über die Unternehmensgruppe in der Schweiz zu besteuern, wenn deren Gewinne im Ausland nicht bereits mit mindestens 15 Prozent besteuert sind (Income Inclusion Rule IIR). An nächster Stelle folgt das Druckmittel, die Undertaxed Profits Rule UTPR. Sie erlaubt es Staaten, ansässige Firmen zu besteuern, wenn diese in anderen Ländern nicht mit den international vereinbarten 15 Prozent besteuert sind. Und: Wer die IIR eingeführt hat, ist vor der UTPR geschützt. Allerdings: die UTPR ist juristisch und in gewissen Ländern auch politisch umstritten – z. B. in den USA. Die Schweiz wartet zu.

Rendez-vous, 26.11.2024, 12:30 Uhr

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