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Im Val Roseg schlug die Kraft der Natur zu
Aus Regionaljournal Graubünden vom 31.07.2024. Bild: SRF/Marc Melcher
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Öfter Felsstürze wegen Klima Wie sich ein Engadiner Tal nach dem Felssturz verwandelt hat

Mit dem Klimawandel verändert sich auch die Bergwelt. Auch unbewohnte Gebiete sind betroffen. Ein Besuch im Engadin.

Ein paar Augenblicke haben die Landschaft im Val Roseg, einem Tal im Oberengadin, für immer verändert. Am 14. April frühmorgens donnerten zwischen acht und neun Millionen Kubikmeter Fels, Geröll, Schnee und Eis vom Piz Scerscen ins Tal.

Eine schier unvorstellbare Menge, heruntergestürzt an einem ziemlich unberührten Ort. Niemand wurde verletzt, Sachschaden entstand keiner. Das Tal ist unbewohnt, abgesehen von einigen Alphütten und einem Hotel. Trotzdem ist die Realität im Val Roseg heute eine andere.

Martin Keiser ist Spezialist für Naturgefahren beim Kanton Graubünden. Zu den Dimensionen sagt er: «Es ging sehr schnell. Die ersten Auswertungen zeigen, dass wir Spitzengeschwindigkeiten von 50 bis 60 Metern pro Sekunde hatten. Es ging etwa zwei Minuten, dann lag alles still hier unten.»

Schutthaufen nach Felssturz im Val Roseg
Legende: Die Fels- und Eismassen lagerten sich im Val Roseg auf einer Länge von 5.5 Kilometern ab. Keystone/Gian Ehrenzeller

Einer, der das Tal gut kennt, ist der zuständige Förster und ehemalige Hüttenwart im Val Roseg, Corado Vondrasek: «Wir haben es uns Stunden später angesehen. Ich war beeindruckt. Ich hätte so etwas nie geglaubt.»

Um zu erfahren, welche Auswirkungen der Felssturz hatte, mussten die Verantwortlichen warten. Denn im April lag im Oberengadin noch viel Schnee. Dieser musste zuerst schmelzen, bevor man sich ein Bild machen konnte. Erst dann konnten unter anderem Vondrasek und Keiser beurteilen, wie gefährlich die Situation noch ist.

Klimawandel erhöht Gefahr von Felsstürzen

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Laut der eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) könnte der Klimawandel das Risiko solcher Ereignisse erhöhen: «Schmelzende Gletscher und auftauender Permafrost entlassen Steine und Felsblöcke aus ihrem eisigen Griff. Wenn Starkniederfälle – wie prognostiziert – zunehmen, könnten Hänge öfter ins Rutschen kommen.»

Fels- und Bergstürze ereignen sich grundsätzlich überall im Gebirge, besonders oft aber dort, wo der Permafrost auftaut. Steigen die Temperaturen also weiter an, steigt damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich Fels- und Bergstürze ereignen.

Eine Angst, die die Verantwortlichen umtrieb: Dass zusätzlich Wasser, zum Beispiel starker Regen, neue Murgänge auslösen könnte. Martin Keiser sagt: «Dass sich die Masse verflüssigt und als Murgang weiterrutscht, kann man eigentlich ausschliessen. Die Ebene ist flach, dort würde die Masse stoppen. Die Hauptgefahren im Sommer sind Wasserausbrüche und Hochwasser, die sich ausbreiten könnten.»

Das heisst: Innerhalb der Geröllmassen hat es noch Eis und Wasser. Das könne – auch spontan – ausbrechen und so die Ebene im Tal fluten. Der Wanderweg, der durch das Gebiet ging, wurde deshalb gesperrt. Zusätzlich werden Bergsportlerinnen und Bergsportler angehalten, sich nicht vor dem Schuttkegel aufzuhalten. An mehreren Orten warnen Schilder.

Das Val Roseg ist sehr beliebt. Verändert hat sich diesbezüglich aber nicht viel. Wanderwege in höherem Gebiet bleiben offen, zwei SAC-Hütten sind weiterhin zugänglich. Auch der Hotelbetreiber im Tal sagt, das Erlebnis der Gäste habe sich nicht stark verändert.

Der Wandel betrifft vor allem jene, die regelmässig ins Tal kommen, zum Beispiel Bergsportlerinnen und Bergsportler auf hochalpinen Touren. Schon vor dem Felssturz im April habe man die Auswirkungen gespürt. Gewisse Routen auf den 3900 Meter hohen Piz Roseg seien gesperrt, sagt Corado Vondrasek: «Dort hatten wir auch Abbrüche.»

Wenn man es zwei- oder dreimal gesehen hat, ist es schon fast normal.
Autor: Corado Vondrasek Revierförster Pontresina/Samedan

Solche Bergstürze wie der neuste im April sind ein Zeichen dafür, dass sich der Alpenraum mit dem Klima verändert. Für den lokalen Förster eindrücklich: «Das ist enorm. Kleinere Gletscher gehen noch schneller zurück. Wer alle zwei, drei Jahre hingeht, sieht, wie unglaublich das ist.»

Die Kraft der Natur haben die Beteiligten im Val Roseg hautnah erlebt. Sie sind mit einem blauen Auge davon gekommen, angesichts der Bilder aus dem Misox, dem Wallis oder dem Tessin. Doch man gewöhne sich an den Schuttkegel, sagt Vondrasek: «Ich glaube, das geht schnell. Es gibt bereits Pionierpflanzen im Gletschervorfeld, es wird grüner. Der Mensch ist auch so: Man passt sich schnell an und wenn man es zwei- oder dreimal gesehen hat, ist es schon fast normal.»

Regionaljournal Graubünden, 31.7.2024, 17:30 Uhr ; 

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