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Schweiz als Rückzugsort und Basis für die Mafia
Aus Echo der Zeit vom 03.02.2022. Bild: SRF
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 58 Sekunden.

Organisiertes Verbrechen Fedpol-Chefin: «Wir haben die Mafia in der Schweiz unterschätzt»

Die Mafia ist auch in der Schweiz aktiv. Erst letzten November verhaftete die Polizei in den Kantonen Graubünden, Zürich, St. Gallen und Tessin sechs Verdächtige. Bei den Ermittlungen zeigte sich, dass die Mafiosi die Schweiz als Rückzugsort nutzen, aber auch als logistische Basis für Drogen und Waffen. Nicoletta della Valle, Direktorin des Bundesamtes für Polizei (Fedpol), über die Aktivitäten der Mafia in der Schweiz – und wie sie bekämpft werden kann.

Nicoletta della Valle

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Die Juristin Nicoletta della Valle ist seit 2014 Direktorin des Bundesamtes für Polizei (fedpol).

SRF News: Wird die Mafia in der Schweiz unterschätzt?

Nicoletta della Valle: Die Mafia ist seit einem halben Jahrhundert in der Schweiz aktiv, fest installiert und über die Landesgrenzen hinaus tätig. Wenn wir heute von Mafia sprechen, sprechen wir auch von der dritten Generation der Einwanderer – also den Enkeln der ersten Mafiaangehörigen, die vor 40, 50 Jahren in die Schweiz gekommen sind. Sie sind nun in die Strukturen integriert. Herr und Frau Schweizer spüren und sehen die Mafia aber nicht. Ja, wir haben die Mafia bisher unterschätzt.

Ist die Schweiz bloss ein Rückzugsort für die Mafia?

Das dachte man früher. Unser Bild wird aber jedes Jahr besser. Nun sehen wir, dass die Mafia in der Schweiz durchaus auch aktiv ist. Sie wäscht hier Geld, bringt gewaschenes Geld in die Schweiz und investiert es, sie handelt mit Drogen und Waffen und ist auch aktiv im Menschenhandel.

Mafia-Prozess in Kalabrien, 2021.
Legende: Gerade die 'Ndrangheta – die Vereinigung der kalabrischen Mafia – spiele eine wichtige Rolle im Drogenhandel, sagt die fedpol-Chefin – auch in der Schweiz. Im Bild: Mafia-Prozess in Kalabrien, 2021. Keystone

Für den früheren Bundesanwalt Michael Lauber hatte die Bekämpfung der Mafia keine hohe Priorität. Hat die Schweiz das Problem zu lange vernachlässigt?

Sie hat es nicht bewusst vernachlässigt. Unsere Rechtsgrundlagen – der berühmte Strafgesetzbuchartikel 260ter zur organisierten Kriminalität – hatte bis letzten Sommer eine sehr tiefe Strafandrohung. Die Maximalstrafe betrug fünf Jahre. Es war sehr schwierig jemanden mit dem Vorwurf, Mitglied einer kriminellen Organisation zu sein, vor Gericht zu bringen.

Wir dürfen uns keine Illusionen machen. Nur mit Repression bekämpfen wir die Mafia in der Schweiz nicht.
Autor:

Denn dieser Tatbestand wurde von anderen Tatbeständen «konsumiert». Seit letzten Sommer ist dieser Artikel revidiert und hat eine viel höhere Strafandrohung von zehn Jahren, für leitende Mitglieder sogar bis zu 20 Jahre. Deswegen kann der neue Bundesanwalt die Mafia-Bekämpfung nun zur Priorität erklären.

fedpol-Chefin della Valle
Legende: Optimierungsbedarf sieht die fedpol-Chefin im Austausch von Informationen: «Wir müssen wissen, wo ein Waffen- oder Drogenhandel stattfand, der Bezug zu mafiösen Strukturen haben könnte. Die Kantone sehen das einzelne Delikt – wir sehen das Netz.» Keystone

Reicht die Verschärfung des Artikels oder sehen Sie weiteren Handlungsbedarf?

Es ist ein erster, wichtiger Schritt. Aber wir dürfen uns keine Illusionen machen. Nur mit Repression bekämpfen wir die Mafia in der Schweiz nicht. Das machen wir auch mit präventiv-polizeilichen Massnahmen, mit denen wir schon vor einigen Jahren begonnen haben. Wir verfügen etwa Einreisesperren gegen Mafia-Mitglieder, die aus der Schweiz ausgeliefert und in Italien verurteilt wurden. Wir haben auch begonnen, Ausweisungen zu verfügen. Das sind wichtige Instrumente, die auch weh tun.

Die Italiener haben uns lange vorgeworfen, wir würden zu wenig tun. Jetzt sehen sie, dass es der Schweiz ernst ist.
Autor:

Schliesslich sensibilisieren wir andere Behörden, damit sie früher erkennen, wenn etwas Komisches vor sich geht. Dazu können Grundbuchämter, Konkursämter oder Lebensmittelinspektorate gehören. Das sind die Leute, die im Terrain sind und sehen, wenn jemand ein Geschäft oder eine Immobilie kauft, der zum Beispiel sozialhilfeabhängig ist. Diese Informationen brauchen wir. Zudem stützen wir uns stark auf Kooperation mit Italien.

Und wie gut läuft diese Kooperation mit Italien?

Sie läuft jedes Jahr besser und ist inzwischen sehr gut. Wir investieren auch sehr viel in diese Kooperation. Die Italiener haben uns lange vorgeworfen, wir würden zu wenig tun. Jetzt sehen sie, dass es der Schweiz ernst ist.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

Echo der Zeit, 03.02.2022; 18 Uhr; ; 

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