Im Hospiz Aargau in Brugg liegen derzeit zehn Personen. Die meisten haben Krebs im Endstadium. Um Chemotherapien oder Operationen geht es nicht mehr, hier stehen andere Behandlungen im Vordergrund. Rhythmische Einreibungen, mit beiden Händen kreisend zum Beispiel. «Das macht die Menschen ruhiger», sagt Regina Ziehler, sie arbeitet in der Pflegeleitung.
Es belastet mich, zu wissen, dass das, was der sterbende Mensch benötigt, nicht bezahlt wird.
Es gehe um die Lebensqualität am Lebensende. «Das Allerwichtigste ist die Zuwendung, das Hinschauen, das Dasein. Und alles ausgeführt mit Echtheit, Wahrhaftigkeit und Liebe.» Doch Liebe und Zuwendung stehen nicht im Leistungskatalog der Krankenkassen, weiss Ziehler. «Es belastet mich, zu wissen, dass das, was der sterbende Mensch benötigt, nicht bezahlt wird.»
Das Hospiz muss sich nach der Decke strecken. Es rechnet ab wie ein Pflegeheim. Die interne Zeiterfassung zeigt aber, dass sich das Hospiz für die Betreuung dreimal so viel Zeit nimmt wie ein durchschnittliches Pflegeheim.
Sterbende sind auf Spenden angewiesen
Es gibt also grosse Finanzierungslücken. Die Patienten müssen 240 Franken pro Tag selber bezahlen und das Hospiz ist auf Spenden angewiesen. Spenden, die es einzeln zusammenzukratzen gilt. Vor allem ältere Menschen würden spenden, sagt Geschäftsführer Dieter Hermann. «10 bis 50, vielleicht einmal 100 Franken. Es passiert selten, dass wir Grossspenden kriegen.»
Nicht immer kommen genug Kleinspenden zusammen. Zeitweise war das Hospiz schwer defizitär. Dabei wäre es wichtig, dass es in der Schweiz mehr Hospize gäbe, findet Sabine Moser. Sie arbeitet beim Brückendienst in Luzern. Der Brückendienst betreut Leute, die palliative Pflege brauchen, zuhause.
Weil die Leute nicht unbedingt den richtigen Platz für sich finden, wird manchmal auch Exit ein Thema.
Doch Zuhause sterben kann nur jede fünfte Person. Alle anderen sind so krank, dass sie rund um die Uhr Betreuung brauchen. Weil aber Hospize fehlen – es gibt in der ganzen Schweiz bloss elf – bleibt nur das Pflegeheim oder das Spital. Doch das Pflegeheim sei gerade für Jüngere kein geeigneter Ort.
«Wir merken bei ihnen Hürden, in ein Heim zu gehen, in dem mehrheitlich ältere Leute sind», sagt Moser. Und auch das Spital sei oft keine gute Lösung. «Denn dort laufen wieder Abklärungen von A bis Z. Die Person kommt dann meist auf die Notfallstation und muss das ganze Prozedere durchmachen.»
Fallpauschalen erlauben keinen Aufschub
Zwar gibt es durchaus palliative Abteilungen in Spitälern, die ein gutes Angebot haben. Doch diese sind viel teurer als ein Hospiz. Ein Tag auf einer palliativen Abteilung eines Spitals kostet bis zu 2000 Franken. Im Hospiz ist es etwa die Hälfte. Noch entscheidender ist jedoch, dass im Spital auch auf Palliativ-Abteilungen mit Fallpauschalen abgerechnet wird.
Die Patienten können also nicht bleiben, bis sie sterben, sondern nur so lange, wie die Pauschale die Kosten deckt. Es komme zu Notsituationen, sagt Moser. «Weil die Leute nicht unbedingt den richtigen Platz für sich finden, wird manchmal auch Exit ein Thema, die assistierte Suizidbeihilfe.»
Finden Betroffene keinen Platz in einem Hospiz oder einem Heim, haben sie Angst, den Angehörigen zur Last zu fallen – und sehen die Sterbehilfe als einzigen Ausweg. Dass es in der palliativen Versorgung Lücken gibt, hat auch der Bund erkannt. Er gibt zum Beispiel eine Studie in Auftrag, die den Nutzen von Hospizen belegen soll. Und auch die Finanzierung werde angeschaut.
Die Fallpauschalen seien für die palliative Pflege nicht ideal, sagt das Bundesamt für Gesundheit BAG auf Anfrage. Auch ob die öffentliche Hand mehr an Hospize bezahlen soll, müsse diskutiert werden.
Der Dachverband der Schweizer Hospize fordert genau dies. Doch in Zeiten von steigenden Gesundheitskosten dürfte die Idee, noch mehr Leistungen abzudecken, sicher einen schweren Stand haben.