- Im Leak der weltweit grössten Offshore-Kanzlei befinden sich auch russische Unternehmen mit Verbindungen in die Schweiz.
- Der mutmassliche Schwiegersohn von Präsident Putin, Kirill Schamalow, war im Schweizer Handelsregister eingetragen mit einer Tochtergesellschaft der Holding-Firma «Sibur».
- Die Firma taucht in den Offshore-Dokumenten auf.
- Das russische Unternehmen «Sibur» verarbeitet Öl und Gas weiter. Die Niederlassung in der Schweiz ist für Investitionen im Ausland eröffnet worden.
Die Adresse in Baar ist auf den ersten Blick unspektakulär. Auf Google Maps ist ein schmuckloses, mehrstöckiges Gebäude gegenüber von einer Autogarage zu sehen. Hier ist die «Sibur Investments AG», eine Tochtergesellschaft der russischen «Sibur Holding», gemeldet. Kirill Schamalow war zwischen 2013 und 2015 Verwaltungsratspräsident der «Sibur Investments AG». Kurz bevor das Unternehmen vor zwei Jahren aus dem Kanton Zürich nach Baar umgezogen ist, trat Schamalow von seinem Posten zurück.
Schamalow ist laut Medienberichten mit Jeketerina Putina verheiratet, der jüngeren Tochter des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Der Kreml bestätigte diese Hochzeit bisher nicht. Offiziell ist «Sibur» seit mehreren Jahren nicht mehr in den Händen des Kremls, doch die Verbindungen zwischen der Regierung und «Sibur» sind nicht rein persönlicher, sondern auch finanzieller Natur.
Siburs Vermögen
In den Paradise Papers wurde enthüllt, wie der Handelsminister im Kabinett von US-Präsident Trump, Wilbur Ross, mit der russischen Firma «Sibur» über Briefkastenfirmen verbunden ist. Die Schweiz tauchte bisher nicht direkt in den geleakten Beziehungen zwischen dem US-Minister und Putins Schwiegersohn auf. Doch «Sibur» hat direkte Verbindungen in die Schweiz.
Schamalow wird kaum einen Monat nach seiner angeblichen Heirat mit der Tochter Putins im Februar 2013 erstmals im Schweizer Handelsregister erwähnt. In den nächsten anderthalb Jahren wächst sein Vermögen durch seine Anteile an «Sibur» laut Schätzungen auf mehrere Milliarden Schweizer Franken an. Der Aufstieg zum Milliardär war für den jungen Schamalow möglich dank eines Kredits der «Gazprombank», wie Recherchen von Reuters zeigten.
Der Aktienwert der Schweizer Niederlassung von «Sibur» ist mit 2,8 Millionen Franken verhältnismässig klein. «Sibur Investements» ist nicht direkt im Bereich von «Sibur», der Weiterverarbeitung von Erdgas und -öl, tätig, sondern das Unternehmen wurde gegründet um Geld im Ausland zu investieren.
Keine Investition in die Schweiz
Kurz nachdem Putins mutmasslicher Schwiegersohn als Verwaltungsratspräsident zurückgetreten ist, übernahm ein ehemaliger Schweizer Banker, Ueli Ambauen, die Geschäfte von «Sibur» in der Schweiz.Gegenüber SRF News bestätigt Ambauen, dass er Kirill Schamalow persönlich kennt.
Dieser habe sich um die Eröffnung der Schweizer Niederlassung gekümmert. Ursprünglich plante Schamalow in der Schweiz ein Zentrum für Auslandsinvestitionen von «Sibur» aufzubauen. Weil Russland die Gesetze für Offshore-Geschäfte nach der Firmengründung verschärfte, habe «Sibur Investements» bisher nur eine einzige Investition getätigt. Nicht in ein Schweizer Unternehmen, sondern in ein Joint-Venture der «Sibur Holding» für die Gewinnung des Rohstoffs für Autoreifen im Nordwesten Indiens. Auch wenn das Unternehmen laut Handelsregister Grundstücke in der Schweiz kaufen könnte, habe «Sibur Investements» noch keine Liegenschaft in der Schweiz gekauft, schreibt «Sibur» auf Anfrage.
Aus der einsehbaren Holdingstruktur von «Sibur» zeigt sich weiter: Der Schweizer Unternehmensberater ist nicht nur aktueller Verwaltungspräsident der «Sibur Investements AG», sondern war zuvor über eine weitere, in der Zwischenzeit aufgelöste, Aktiengesellschaft mit der «Sibur Holding» verbunden. Zwischen der aufgelösten und der bestehenden Aktiengesellschaft gebe es keine Verbindung, so Ambauen. Wie der Kontakt von Baar nach Moskau in das Umfeld von Präsident Putin entstanden ist, wollte Unternehmensberater Ambauen nicht kommentieren.
Für die Elite Russlands bleibt die Schweiz attraktiv.
SRF News: Sibur wurde vom russischen Staat zwar gegründet, inzwischen aber verkauft. Dennoch ist Sibur nicht ein privates Unternehmen wie jedes andere. Warum?
Christof Franzen: Das Unternehmen blieb in den Händen von alten Bekannten Putins. Unter den Eigentümern ist mit Gennadi Timtschenko ein alter Vertrauter Putins, sie sind Partner im Judo. Öl-Milliardär Timtschenko konnte sich laut Medienberichten mit Unterstützung der staatlich kontrollierten Gazprombank bei Sibur einkaufen. Vor knapp drei Jahren verkaufte er Anteile von Sibur wiederum zu sehr günstigen Konditionen an Putins angeblichen Schwiegersohn. Dieses System der Geschäfte zwischen Bekannten ist typisch für die heutige russische Wirtschaft.
Wer mit Konzernen wie Sibur geschäfte, mache Geschäfte mit dem russischen Staat, sagte ein ehemaliger US-Diplomat. Wie nimmt der Kreml Einfluss auf Unternehmen wie Sibur?
Es ist weniger die Kontrolle innerhalb des Unternehmens als vielmehr die Kontrolle des gesamten Marktes durch Privilegien für Grosskonzerne in den Händen einer loyalen Elite. Kleinere Unternehmen, die keine persönlichen Beziehungen zur Regierung haben, können gar nicht erst zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten heranwachsen. Sie erhalten kaum staatlichen Kredite zu niedrigsten Zinsen, oder Milliarden-Anleihen von staatlich kontrollierten Grossbanken, sondern sie sind vielmehr der Willkür und Korruption der Behörden ausgeliefert.
Auch wenn das Bankgeheimnis der Vergangenheit angehört: Weswegen taucht die Schweiz bei Enthüllungen immer wieder auf?
Für die Elite Russlands bleibt die Schweiz attraktiv: Der Eintrag von Putins angeblichem Schwiegersohn im Handelsregister und der Wohnsitz von Sibur-Eigentümer Timtschenko am Genfersee sind nur zwei Beispiele. Timtschenko hat sich vor Jahren im Gespräch mit SRF darüber beschwert, dass die Schweiz das Bankgeheimnis habe fallen lassen. Russland gäbe im Gegenzug nicht auf ausländischen Druck nach. Das sagt viel über die Mentalität dieser Leute aus.
Der russische Oppositionelle und Anti-Korruptionsblogger, Alexey Nawanlyj, hat die Schweiz als nach wie vor beliebtesten Ort für korrupte Russen bezeichnet. Die Schweiz ist bei der Verfolgung von Korruption auf die Zusammenarbeit mit ausländischen Justiz-Behörden angewiesen. Die russischen Behörden würden nie Unterstützung bieten, wenn es sich um Verdächtige aus dem Machtkreis Putins handelt.