Die Situation kennen nicht viele von uns: Kein Eintritt wegen Behinderung! Marc Glaisen ist genau das passiert. Er wollte 2008 in Genf in ein Kino, man liess den Rollstuhlfahrer aber nicht. Die Sicherheit lasse das nicht zu. Bei einem Brand könne er kaum evakuiert werden.
Glaisen wollte das nicht akzeptieren, ging vor Gericht. Wenn’s um die Sicherheit gehe, zum Beispiel bei einem Brand, sei er als Rollstuhlfahrer generell benachteiligt. Lifte zum Beispiel dürfe auch er dann nicht benutzen.
Mit diesem Risiko aber lebten die Rollstuhlfahrer, argumentiert Glaisen. Ihm – und anderen Behinderten – deswegen den Zutritt zu Gebäuden zu verbieten, das sei diskriminierend.
Was ist eigentlich diskriminierend?
Der Behindertendachverband Inclusion Handicap teilt die Meinung von Glaisen und unterstütze ihn vor Gericht. Vor dem ersten, vor dem zweiten, 2012 vor Bundesgericht und heute vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg.
Aber Glaisen verlor. Überall. Auch jetzt vor dem EGMR. Deshalb ist das Urteil des Bundesgerichtes im Fall Glaisen nun wesentlich für die Schweizer Rechtsprechung in Fällen von Diskriminierung Behinderter.
2012 musste sich das Bundesgericht dank Glaisens Klage gegen die Kinobetreiber damit auseinandersetzen, was denn eigentlich «diskriminierend» sei im Sinne des Gesetzes. Das Bundesgericht lehnte sich dabei an die Politik an.
Herabwürdigung von Menschen muss vorliegen
Im Jahre 2000 schrieb der Bundesrat zu seinem Entwurf für das Behindertengleichstellungsgesetz, dieses müsse dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit entsprechen, Diskriminierung sei eine «besonders krasse, (…) und meist auch herabwürdigende Behandlung von Menschen mit Behinderung».
Das Gesetz trat 2004 in Kraft. Zuvor lehnten die Stimmbürger die Volksinitiative «Gleiche Rechte für Behinderte», die deutlich weiter ging als das Gesetz, mit 62 Prozent ab.
Rückblickend auf diese politischen Entscheide legte das Bundesgericht die Diskriminierung eng aus, es muss eine Herabwürdigung von Menschen vorliegen. Das Motiv der Sicherheit erfüllt diesen Tatbestand nicht.
Druck der Verbände wirkt im Alltag
Dennoch: Auch Kinobetreiber, Gastronomen und weitere Dienstleister haben bei Um- und Neubauten den Anforderungen an die Behindertentauglichkeit ihrer Bauten zu folgen. Denn auch für sie gilt das Behindertengleichstellungsgesetz. Es ist kein toter Buchstabe.
Wie ausschliessend also das Sicherheitsargument sein kann und was verhältnismässig ist – beides muss im konkreten Fall immer wieder verhandelt werden.
Behindertenverbände verfolgen deshalb weiterhin genau, wie die Behindertengleichstellung konkret umgesetzt wird. Mit ihrem Druck haben sie ganz wesentlich dazu beigetragen, den Alltag von Rollstuhlfahrern und Fahrerinnen einfacher zu machen.