Die Politik im Konkordanz- und Konsenssystem der Schweiz ist normalerweise auf Ausgleich und Kompromiss bedacht. Dass es auch anders geht, hat die bürgerliche Mehrheit im Parlament und vor allem der Ständerat diese Session demonstriert.
Verhandelt wurde das CO₂-Gesetz, mit dem die Ziele des Pariser Abkommens, zu denen sich die Schweiz verpflichtet hat, erreicht werden sollen. Wobei es noch nicht um den grossen Schritt in Richtung Netto-Null-Ausstoss bis 2050 ging; lediglich ein Zwischengesetz wurde beraten, das die Jahre 2025 bis 2030 abdecken soll.
Moderate Vorlage weiter abgeschwächt
Der Bundesrat hatte einen Entwurf vorgelegt, der nach Meinung der linken und ökologischen Kreise bereits ungenügend war. Dieser Entwurf wurde in entscheidenden Fragen im Hin und Her zwischen den Räten mehrmals abgeschwächt, wobei der Nationalrat vom Ständerat noch rechts überholt wurde.
Dies etwa beim Absenkpfad für CO₂-Emissionen für Neufahrzeuge, dem Verhältnis zwischen Inland- und Ausland-Kompensationen oder der Unterstützung der Infrastruktur für Ladestationen.
Beispiel: Ladestationen
Ein konkretes Beispiel gefällig? Der Bundesrat wollte 30 Millionen Franken pro Jahr sprechen für die Ladestationen-Infrastruktur, der Ständerat war dagegen. Darauf schlug der Nationalrat 20 Millionen vor, der Ständerat war immer noch dagegen. Der Nationalrat blieb bei 20 Millionen, strich aber Ladestationen auf öffentlichen Parkplätzen aus dem Gesetz. Der Ständerat war immer noch dagegen.
In der letzten Differenzberatung kam der Nationalrat dem Ständerat in mehreren anderen Fragen entgegen und erhoffte sich dafür ein Einlenken des Ständerats bei den 20 Millionen Franken. Vergeblich, am Schluss setzte sich der Ständerat durch, es wird keine Fördergelder geben. GLP-Fraktionssprecher Martin Bäumle sprach enttäuscht von gefährdetem Vertrauen in die Zusammenarbeit der beiden Räte.
Klimaziele gefährdet?
Am Ende waren nicht nur Linke, Grüne, GLP und (mehrheitlich) die Mitte enttäuscht, auch der Dachverband der Wirtschaft für erneuerbare Energien und Energieeffizienz zeigte sich frustriert: Das Gesetz werde «kaum einen Beitrag zur Erreichung der von der Stimmbevölkerung beschlossenen Klimaziele leisten können».
Das CO₂-Gesetz ist die Neuauflage der Vorlage von 2021, die vom Stimmvolk bachab geschickt wurde. Mag sein, dass die damalige Niederlage dem einen oder anderen Parlamentsmitglied die Lust auf grosse Würfe genommen hat. Mag auch sein, dass den Bürgerlichen nach der schmerzlichen Niederlage bei der Abstimmung zur 13. AHV-Rente nach einem Machtpoker war.
Vielleicht bildet das neue CO₂-Gesetz aber auch einfach die neue politische Realität nach den Wahlen im Herbst ab, bei denen die ökologischen Kräfte im Parlament empfindlich geschwächt wurden.