Spannungen zwischen West und Ost, militärische Konflikte und Handelskriege. Und mittendrin die kleine, aber wirtschaftlich starke Schweiz, die freien Handel mit der ganzen Welt betreiben will.
Spätestens seit Ausbruch des Ukrainekrieges entstand allerdings der Eindruck, das Schweizer Motto «Wandel durch Handel» werde zum Auslaufmodell. Es gab kaum mehr Fortschritte bei den Gesprächen für neue Freihandelsverträge. Im Weg standen die globalen Konflikte. Oder die Menschenrechtssituation in den jeweiligen Ländern. Andere Staaten wiederum hatten auch ganz einfach das Interesse an der Schweiz verloren.
Doch während des Weltwirtschaftsforums in der vergangenen Woche ist es dem Bundesrat gelungen, festgefahrene Verhandlungen gleich mit mehreren Ländern wieder in Gang zu bringen.
Fortschritte mit China
Am Montag unterzeichnete Bundespräsidentin Viola Amherd mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang eine Absichtserklärung zum freien Handel. China scheint nun doch wieder bereit ist, das seit 2014 geltende Freihandelsabkommen zu modernisieren.
Nachdem der Bundesrat in seiner Chinastrategie vor drei Jahren die Menschenrechtslage zum ersten Mal deutlich kritisiert hatte, wollte China nichts mehr wissen von einem intensiveren Handel mit der Schweiz. Doch diese Blockade scheint überwunden. China ist der wichtigste Handelspartner der Schweiz in Asien.
Südamerika: Weitere Abkommen vor dem Abschluss
Während des WEF wurden auch Fortschritte mit dem Südamerika-Freihandelsabkommen bekannt. Das Abkommen mit Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay steckt seit Jahren fest, soll nun aber noch in diesem Jahr kommen.
Und am Samstag wurde bekannt, dass auch mit Chile fast alle Exporte zollfrei werden.
Intensive Gespräche mit Indien seit einem Jahr
Mit Indien, dem zweitwichtigsten asiatischen Handelspartner, scheint am Ende dieser WEF-Woche ein Freihandelsabkommen nun ebenfalls in Griffweite. Von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt, trafen sich Schweizer Unterhändler seit dem letzten Frühling regelmässig mit indischen Vertretern und intensivierten die Gespräche, die nun schon rekordverdächtig lange 16 Jahre andauern. Auch Wirtschaftsminister Guy Parmelin traf sich mehrmals mit dem indischen Wirtschaftsminister.
Parmelin steht nun allerdings unter Zeitdruck. Denn auch die EU und Grossbritannien wollen möglichst bald ein Freihandelsabkommen mit Indien abschliessen.
Ungewöhnlich viele Erfolge während WEF
Das diesjährige WEF war für den Bundesrat in wirtschaftspolitischer Hinsicht weit mehr als das Pflegen persönlicher Kontakte. Selten konnte die Landesregierung in nur einer Woche so viele Fortschritte vermelden und wieder neuen Schwung in den freien Handel bringen.
Trotz geopolitischer Spannungen scheinen auch viele grosse Länder nach wie vor interessiert, mit der Schweiz den Handel zu vereinfachen.