Rolf Bressan ist 67-jährig und will in Pension. Die Konsequenz: Seine Baufirma, seit über 100 Jahren ein Familienbetrieb in Arbon TG, muss er dafür schliessen.
35 Mitarbeitende verlieren ihre Stelle, weil die Nachfolge nicht geregelt werden konnte. «So etwas macht man nicht einfach so», sagt er.
Die Auftragslage sei eher schwierig geworden. «Ich musste einsehen, dass ich nicht mehr die Kraft und Motivation habe, eine Krise durchzustehen», sagt Bressan.
Der Firma gehe es finanziell zwar gut, trotzdem ist das Ende nicht mehr abzuwenden. Er findet niemanden, der sein Bauunternehmen übernimmt.
100'000 Firmen betroffen
Mit diesem Problem steht Rolf Bressan nicht alleine da. Gemäss einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung Dun and Bradstreet (D&B) gibt es 650'000 Unternehmen in der Schweiz – bei jedem sechsten ist die Nachfolge offen.
Am stärksten betroffen sind Firmen mit bis zu 50 Mitarbeitenden. Davon müssen 2024 über 100'000 eine Lösung finden – deutlich mehr als noch vor zwei Jahren.
Bei grösseren Unternehmen suchen rund 500 eine Nachfolge, auch dort ist die Tendenz steigend. Das Baugewerbe hat im Vergleich zu anderen Branchen eines der grössten Nachfolgeprobleme.
Alexandra Bertschi ist Expertin für Nachfolgeregelungen bei PWC und arbeitet derzeit an einer Studie dazu. Die fehlenden Nachfolgerinnen und Nachfolger seien nicht gut für die Wirtschaft, aber erklärbar: «Es kommen weniger nach als gehen, Stichwort Babyboomer. Viele gehen in Rente, und es fehlen jene, die nachkommen. Einerseits bei der Anzahl, andererseits, weil die Generation Z andere Lebensmodelle hat.»
Bei traditionellen Familienbetrieben sind die Erwartungen hoch, dass die Nachfolge aus der Familie kommt. Bei Familienvater Rolf Bressan ist dies anders: «Vielleicht haben sie gesehen, wie viel der Vater arbeitete. Sie haben es sich gut überlegt und am Ende nicht übernehmen wollen. Ein Entscheid, den ich akzeptieren muss.»
Das ist kein schönes Gefühl, das wünsche ich niemandem.
Experten reden davon, dass die Suche nach einer Nachfolge fünf bis zehn Jahre vor dem Rücktritt beginnen soll. Oftmals ist der Prozess mit vielen Emotionen verbunden, aber auch Geld und Arbeitsplätze spielen eine Rolle.
Bei Rolf Bressan sind 35 Mitarbeitende betroffen. Er freue sich zwar auf die Pension, hat aber ein schlechtes Gewissen gegenüber allen, die ihre Stelle verlieren: «Das ist kein schönes Gefühl, das wünsche ich niemandem. Es wäre schöner, wenn man die Firma erfolgreich übergeben könnte und dann sähe, dass es weiterläuft.»
Dies sei ihm nicht gelungen. Rolf Bressan fährt den operativen Teil nun Schritt für Schritt runter. Ab Frühling ist Schluss. Das Konsultationsverfahren ist abgeschlossen, die Kündigungen sind laufend ausgesprochen worden.
Bressans Firma ist damit nur ein Beispiel von vielen Unternehmen, die auf der Suche nach einer Nachfolge sind.