Die Mitarbeiterinnen des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) haben einen schwierigen Job. Manche haben im Berufsalltag mit gewaltbereiten Extremisten zu tun, manche arbeiten gegen die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen.
Für Probleme sorgt aber momentan nicht die eigentliche Arbeit, sondern die Betriebskultur. Die Frauen im Geheimdienst erleben immer wieder Sexismus. Sie müssen sich unangemessene Kommentare zu ihrem Äussern anhören oder werden trotz anderer Aufgabe in Sitzungen zum Protokollführen degradiert. So steht es in den Berichten einer internen Arbeitsgruppe des NDB, die «SRF Investigativ» vorliegen.
Personalumfrage lieferte katastrophales Resultat
Die Arbeitsgruppe schreibt: «Dieser Sexismus zeigt sich täglich in verschiedenen Formen.» Sie nennt weitere Beispiele: Einer Frau werde das Wort abgeschnitten, und ein Mann übernehme das, was die Frau gerade gesagt habe. Die Ausbildung der weiblichen Kandidaten werde vom männlichen Auswahlkomitee unterbewertet oder verspottet.
Die Arbeitsgruppe zieht den Schluss:
Der Sexismus beeinträchtigt das reibungslose Funktionieren des NDB.
Diese Arbeitsgruppe hat offiziell bei der Direktion beantragt, dass alle NDB-Angestellten obligatorische Anti-Sexismus-Workshops besuchen sollen. Diese sollten – so steht es im Antrag – «das Bewusstsein für die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Inklusivität am Arbeitsplatz» schärfen.
Das Sexismus-Problem ist Teil eines grösseren Bildes. Viele Angestellte sind auch sonst unzufrieden mit dem NDB. Das ist klar, seit eine Umfrage Anfang 2021 auffallend schlechte Ergebnisse lieferte. Besonders hart kritisieren die Angestellten die Führungsqualitäten von Vorgesetzten.
Die Arbeitsgruppe beantragte deshalb, dass die Führungsleistung der Kader alle drei Jahre vertieft beurteilt werden soll. Zudem soll eine neue Charta mit den «Werten des NDB» geschrieben werden, die alle Kader unterschreiben müssten.
Unklar ist, ob und wann der NDB die Massnahmen konkret umsetzt. Sicher ist, dass die Direktion fünf neue Arbeitsgruppen eingesetzt hat. Eine davon beschäftigt sich mit Sexismus, eine weitere damit, wie die Führung verbessert werden kann.
Aufsicht zweifelt an den Massnahmen des NDB
Der Nachrichtendienst wollte keine Fragen von SRF beantworten. Da die Arbeitsgruppen ihre Arbeit erst kürzlich aufgenommen hätten, sei es verfrüht, sich dazu zu äussern – so eine Sprecherin.
Doch erst letzte Woche zweifelte die Aufsichtsbehörde des Dienstes in ihrem Jahresbericht öffentlich an den bisher ergriffenen Massnahmen des NDB. Sie schrieb:
Der NDB selbst hat erste Anstrengungen zur Verbesserung unternommen, die aber für eine nachhaltige Beruhigung und Klärung der Situation nicht ausreichen dürften.
Der Präsident der Aufsichtsbehörde sagte weiter, unzufriedene NDB-Angestellte könnten ein «erhöhtes Sicherheitsrisiko» darstellen.
Ständerätin Maya Graf (Grüne/BL) ist Präsidentin der Geschäftsprüfungsdelegation – diese übt die parlamentarische Oberaufsicht über den Geheimdienst aus. Sie sagt gegenüber SRF:
Die Führungskultur ist leider seit längerem sehr schlecht. Hier ist vor allem der neue Direktor des NDB gefordert, Massnahmen zu treffen und durchzusetzen.
Dieser neue NDB-Direktor heisst Christian Dussey. Der ehemalige Diplomat und Offizier hat sein Amt erst vor wenigen Tagen angetreten.