Einigermassen überraschend hat FDP-Präsidentin Petra Gössi am Montagmittag ihren Rücktritt von der Spitze der Partei spätestens per Ende Jahr bekannt gegeben. Gegenüber dem «Tagesgespräch» von Radio SRF dementiert sie Spekulationen, wonach der Rücktritt mit der verlorenen Abstimmung über das CO2-Gesetz vom Wochenende zu tun habe.
SRF News: Am Sonntag betonten Sie noch, dass Sie wegen einer verlorenen Abstimmung über eine Behördenvorlage – im aktuellen Fall dem CO2-Gesetz – sicher nicht zurücktreten werden. Jetzt ihre Rücktrittsankündigung per Ende Jahr. Was ist da über Nacht passiert?
Petra Gössi: Es ist nichts passiert. Der Rücktritt hat nichts mit der Abstimmung von gestern zu tun. Er hat damit zu tun, dass wir in der Mitte einer Legislatur stehen: In zwei Jahren sind Eidgenössische Wahlen. Mein Nachfolger oder meine Nachfolgerin soll genügend Zeit haben, um diese vorzubereiten. Schon vor ein paar Wochen habe ich mich für den Rücktritt vom Parteipräsidium entschieden. Klar war aber auch, dass ich ihn nicht während einem Abstimmungskampf kommunizieren kann.
Ihre Ausführungen sind schwer zu glauben. Bis heute Morgen haben Sie stets bekräftigt, FDP-Parteipräsidentin bleiben zu wollen. Hat nicht das Nein zum CO2-Gesetz halt doch das Fass zum Überlaufen gebracht?
Nein. Eine Behördenvorlage bringt bei mir nie das Fass zum Überlaufen. Als Bürgerin der Schweiz respektiere ich jeden Volksentscheid voll und ganz. Das ist ja genau das Wesen der Schweiz: Man hat einen Urnenentscheid und am nächsten Tag geht es weiter – so sind schon heute neue Vorstösse eingereicht worden, wie es jetzt weitergehen soll. Natürlich bedauere ich das Nein zum CO2-Gesetz, trotzdem gilt es das zu respektieren.
Ich bin 45 Jahre alt und will meine berufliche Karriere wieder aufnehmen.
Mein Rücktrittsentscheid ist wohlüberlegt erfolgt, nach fünf Jahren in diesem Verschleissjob und mit Blick auf meine persönliche Situation. Ich bin 45 Jahre alt und will meine berufliche Karriere als Juristin wieder aufnehmen, auch wenn ich weiterhin Nationalrätin bleiben werde.
Laut einer Nachwahlbefragung von Tamedia haben 60 Prozent der FDP-Basis gegen das CO2-Gesetz gestimmt. Haben sie die grüne Wende bei der FDP nicht mitgemacht?
Erstens war es keine grüne Wende. Vielmehr haben wir uns auf das zurückbesonnen, was die FDP schon Ende der 1970er-Jahre im Programm hatte: Einen nachhaltigen Umweltschutz, der nicht auf Verboten und Technologieverboten basiert, sondern mit liberalen Lösungen, Innovationen und Selbstverantwortung funktioniert.
Das nächste CO2-Gesetz muss liberaler ausgestaltet sein und sollte weniger weit gehen.
Am Sonntag haben wir aber über ein CO2-Gesetz abgestimmt, das auch Kompromisse enthielt und das womöglich überladen war. Das nächste CO2-Gesetz muss deshalb noch liberaler ausgestaltet sein und sollte weniger weit gehen. Im Abstimmungskampf ist es uns nicht gelungen, unseren Wählerinnen und Wählern aufzuzeigen, wie das CO2-Gesetz funktioniert, welche Werkzeuge darin eingebaut sind und was passiert, falls es abgelehnt wird. Da müssen wir auch selbstkritisch sein.
Ist es nicht vor allem so, dass wenn es dem Schweizer ans Portemonnaie geht, vergisst er sein grünes Herz?
Die Grünen haben die letzten Wahlen gewonnen, aber gestern zogen sie in der Tat einen schwarzen Tag ein. Das zeigt: Man muss realistisch bleiben und darf bei einer Gesetzesvorlage in der Schweiz nicht überschiessen.
Man darf bei einer Gesetzesvorlage in der Schweiz nicht überschiessen.
Die grosse Herausforderung wird jetzt darin bestehen, die linke Seite etwas zurückzubinden und trotzdem einen Schritt nach vorn machen – etwa, indem die Innovation gefördert wird und dazu die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dazu brauchen wir kein dirigistisches CO2-Gesetz, wie es jetzt wohl den Grünen und Linken vorschwebt.
Ist das nicht allzu technologiegläubig? Braucht es nicht vielleicht trotzdem das eine oder andere Verbot, um die Klimaziele von Paris zu erreichen?
Das ist ganz klar nicht unser Ziel. Wir müssen die Innovationen eben so stark fördern und stärken, dass veraltete, umweltschädliche Techniken ersetzt werden können. Wenn es uns so nicht gelingt, den CO2-Ausstoss zu senken, wird es früher oder später kaum mehr ohne Verbote gehen.
Das Gespräch führte Marc Lehmann.