Das Erfreuliche vorneweg: Die Schweiz ist im neuen Pisa-Bericht für das Jahr 2022 in allen drei untersuchten Fächern (Mathematik, Lesen, Naturwissenschaften) überdurchschnittlich gut. Weniger erfreulich: die Schere zwischen sozial benachteiligten und privilegierten Schülerinnen war noch nie so gross wie aktuell.
25 Prozent der Schülerinnen und Schüler erreichen im Lesen nicht die definierten Mindestkompetenzen. Auch in der Mathematik ist dieser Unterschied zu sehen. Die Zürcher Bildungsdirektorin Silvia Steiner im Interview über Bildungsgerechtigkeit und die Anforderungen an die heutigen Schülerinnen und Schüler.
SRF News: Wie zufrieden sind Sie mit den Leistungen der 15-Jährigen?
Silvia Steiner: Grundsätzlich bin ich zufrieden. Man kann sagen, dass wir im Bereich Mathematik top sind. Auch bei den Naturwissenschaften und den Sprachen sind wir deutlich über dem OECD-Schnitt. Wir dürfen uns aber nicht auf diesen Lorbeeren ausruhen, sondern müssen unseren eingeschlagenen Weg konsequent weitergehen.
Bericht zur Pisa-Studie 2022
Die Schere zwischen guten und schlechteren Schülern, vor allem sozial benachteiligten, wird grösser. Was sagen Sie dazu?
Das ist keine neue Erkenntnis. Es gibt Kinder, welche weniger Fähigkeiten mitbringen oder auch weniger gefördert werden. Dagegen gibt es aber Massnahmen, die helfen können. Frühförderung ist bei den Kantonen ein grosses Thema.
25 Prozent der Schüler mit 15 Jahren erreichen die Mindestanforderungen beim Lesen nicht. Finden Sie das bedenklich?
Ja, daran müssen wir sicherlich noch arbeiten. Allerdings beruhen die Ergebnisse auf einem Stichtag. Nicht jeder 15-Jährige ist mit 15 genau am gleichen Ort. Und die Ergebnisse zeigen nicht, dass der Schüler oder die Schülerin nicht lesen kann. Es heisst lediglich, dass die Anforderungen beim Test nicht erfüllt wurden.
Unsere Jugendlichen sind heutzutage viel breiter aufgestellt. Sie werden in viel mehr Fächern und Sprachen unterrichtet; müssen in den sozialen Medien dazulernen. Ebenfalls verlangt man von ihnen, viel Sport zu treiben, draussen zu sein, nachhaltig zu sein und so weiter. Bei den Jungen geht es heutzutage nicht mehr bloss um drei Fächer, das Ganze ist viel umfassender.
Die Bedürfnisse der Kinder sollen im Mittelpunkt stehen.
Auffallend ist, dass vor allem die sozial benachteiligten Schüler schlecht abschneiden, im Vergleich zum letzten Pisa-Bericht sogar noch schlechter. Wo bleibt die Bildungsgerechtigkeit?
Eine absolute Gerechtigkeit wird es nie geben. Wir arbeiten aber daran, diese Differenz auszugleichen. Der Schlüssel liegt hier vor allem in der individuellen Förderung, die Schulen machen in diesem Bereich bereits sehr viel. Die Politik versucht ausserdem, mit weiteren Instrumenten diese individuelle Förderung zu ermöglichen, auch begabte Schüler und Schülerinnen sollen bedarfsgerecht gefördert werden. Die Bedürfnisse der Kinder sollen im Mittelpunkt stehen.
Welche Massnahmen sind nach dem Pisa-Bericht angedacht, um diese Lücke zu schliessen?
Es wurden bereits sehr viele Massnahmen angestossen und auch umgesetzt. Dabei geht es vor allem darum, die Familien gezielt zu unterstützen und bereits in der frühen Kindheit Dinge in die Wege zu leiten. Dass Eltern bestärkt werden, mit ihren Kindern zu sprechen, den Kindern die Sprache näherzubringen. Zudem wollen wir wie gesagt die individuelle Förderung in der obligatorischen Schule noch mehr ermöglichen.
Das Gespräch führte Sandra Büchi.