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Platznot im Gefängnis 10 Häftlinge in einem Raum: Das ist die grösste Zelle der Schweiz

Das Gefängnis in Burgdorf BE hat wegen Platznot Werkstätte in Zellen umgewandelt. Das sind die Folgen für die Gefangenen.

Eigentlich werden solche Gefängniszellen heute gar nicht mehr gebaut: Fünf Kajütenbetten stehen im früheren Fitnessraum des Regionalgefängnisses Burgdorf BE. Dazu ein Tisch mit einigen Stühlen, im Nebenraum ein Fernseher, eine Toilette, eine Dusche.

Durchs vergitterte Fenster schaut man an die Gefängnismauer. Die Grossraumzelle bietet pro Person 5.2 Quadratmeter Platz, aber wenig Privatsphäre. Sie dient dem Kanton Bern als Übergangslösung bis 2027. Aber: «Das ist in der Schweiz einzigartig», sagt Gefängnisdirektor Marcel Klee zu SRF. Nur in Lichtenstein gebe es ähnlich grosse Zellen.

Mann vor Gitter mit Stacheldraht
Legende: Gefängnisdirektor Marcel Klee im Aussenbereich der neuen Kurzstrafenabteilung. SRF/Samuel Burri

Innerhalb von drei Monaten wurde im Regionalgefängnis eine neue Kurzstrafenabteilung für 40 Personen aus dem Boden gestampft. Neben dem Fitnessraum wurden Arbeitsräume und ein Lagerraum in Gemeinschaftszellen umfunktioniert.

Eigentlich hatte das Amt für Justizvollzug geplant, diese zusätzlichen Plätze mit Containern zu schaffen. Doch das Kantonsparlament war dagegen, vor allem aus Kostengründen.

Dossierstau führt zu Platzmangel

Box aufklappen Box zuklappen

Die zusätzlichen Haftplätze im Regionalgefängnis Burgdorf wurden nötig, weil beim Kanton Bern Informatikprobleme auftraten. Dadurch geriet der Vollzug von sogenannten Ersatzfreiheitsstrafen ins Hintertreffen.

Oft geht es dabei um Personen, die eine Busse für ein Kleindelikt nicht bezahlen, wie etwa Schwarzfahren. Diese Delikte drohen zu verjähren.

Durch Probleme bei der Software kam es zu Verzögerungen beim Eintreiben der Bussen.

Nun wurden für die 40 Plätze innerhalb des Gefängnisgebäudes Räume umgenutzt. Das Problem an den Zehnerzellen: Je mehr Leute, desto grösser das Konfliktpotenzial. «Zum Glück haben wir bislang verhältnismässig wenig Schlägereien», so Direktor Klee. Aber es sei klar: Je nach Zusammensetzung der Gruppen könnten sich Konflikte rasch hochschaukeln. Was die Häftlinge selbst von den Grossraumzellen halten, ist unklar: SRF durfte beim Gefängnisbesuch nicht mit den Insassen sprechen.

Gemeinschaftsraum
Legende: Ein Gemeinschaftsraum mit Sprossenwand, der nun in einen Arbeitsraum umgewandelt worden ist. SRF/Samuel Burri

Arbeitsräume werden zu Zellen, ein Gemeinschaftsraum wurde in einen Arbeitsraum umgewandelt, aus Lägerräumen werden Duschen. Der Platz im Regionalgefängnis Burgdorf wird noch etwas knapper.

«Suizidrisiko erhöht»: Kritik an Haftbedingungen

Livia Schmid von der Menschen­rechts­organi­sation humanrights.ch kritisiert: «Studien belegen, dass Überbelegung das Risiko von Selbstverletzungen und Suiziden unter Gefangenen erheblich erhöht.» In Burgdorf müssten nun mehrere Inhaftierte auf engstem Raum ihre Strafe verbüssen – ohne jegliche Privatsphäre, was eine starke Belastung für ihre psychische Gesundheit darstelle. «Ihnen steht lediglich ein gemeinschaftlich genutzter Fernseher und ein kleiner Spazierhof ohne Witterungsschutz, mit Blick auf eine trostlose Betonwand, zur Verfügung», so Schmid.

Anders sieht es der Kanton Bern: «Die 40 zusätzlichen Plätze im Regionalgefängnis Burgdorf sind für uns wie ein Befreiungsschlag», erklärt Olivier Aebischer vom Amt für Justizvollzug Bern. Damit könnten die anderen Gefängnisse etwas entlastet werden.

Wäsche im Gefängnis
Legende: Die Kurzstrafenabteilung in Burgdorf ist bereit für eingewiesene Personen. SRF/Samuel Burri

Die Gefängnisse des Kantons Bern sind bereits jetzt überbelegt. Das Untersuchungsgefängnis Burgdorf wurde für 109 Plätze geplant, jetzt leben 160 Personen hinter den Gefängnismauern: «Das ist ein Dichtestress. Wir müssen lernen, wie man damit umgeht», sagt Gefängnisdirektor Klee.

Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 4.2.2025, 12:03 Uhr ; 

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