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Positionierung der Schweiz Neutralitätsdebatte: Politiker bringen sich in Position

Ist die Schweiz noch neutral? Am Montag tagt die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats. Dann wird die Grundsatzfrage sicher gestellt werden.

Lanciert haben die Diskussion die Grüne Nationalratspräsidentin Irène Kälin und SP-Nationalrat Roger Nordmann am Donnerstag. Nach ihrer Reise in die Ukraine zeigten sich die beiden linken Politiker gegenüber SRF durchaus offen für eine Debatte über Schweizer Waffenlieferungen an die Ukraine – und damit auch über das Neutralitätsverständnis der Schweiz.

In der Sonntagspresse haben sich nun verschiedene Aussenpolitiker in dieser Frage in Position gebracht, denn am Montag tagt die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats. Thema wird dort mit Bestimmtheit eine neue Definition der Schweizer Neutralität sein.

In der Schweiz verboten

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Waffenlieferungen an kriegsführende Parteien sind laut Kriegsmaterialverordnung untersagt. Das verschärfte Kriegsgesetz, welches eine Waffenlieferung ohne eine Nichtwiederausfuhr-Erklärung verbietet, lancierte die politische Linke.

Laut «Sonntagszeitung» schlagen mehrere Aussenpolitiker aus dem Parlament vor, dass in der Schweiz das Volk entscheiden solle, wie die Neutralität künftig definiert wird – allen voran der Zürcher FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann. Konkret sollen den Stimmberechtigten neue Gesetze vorgelegt werden, die von der aussenpolitischen Kommission des Nationalrates ausgearbeitet werden und danach ins Parlament kommen. Portmann hat in der Kommission einen entsprechenden Antrag durchgebracht. Zwar ist die Neutralität heute in der Verfassung verankert. In den Gesetzen fehlen jedoch Bestimmungen, wie sich die Schweiz neutral verhalten soll. Dass die Neutralität neu definiert werden muss, ist von Politikerinnen und Politikern von links bis rechts unbestritten.

Historiker: Neutralität wandelt sich

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Der emeritierte Basler Historiker Georg Kreis erwartet vor dem Hintergrund einer fundamental veränderten Weltlage, dass sich die Definition der Neutralität ebenfalls wandeln wird. Die veränderte internationale Lage bedeute nicht, dass die Schweiz ihre Neutralität preisgeben müsse, sondern eine grössere Flexibilität mit dem Begriff, sagte Kreis im Interview mit der «NZZ am Sonntag». Es müsse zwischen dem Neutralitätsrecht und der Neutralitätspolitik unterschieden werden. Die Neutralitätspolitik sei schon immer flexibel gehandhabt worden. Prinzip und Praxis klafften jedoch oft auseinander. Man könne sie dogmatisch auslegen oder sich näher an die realpolitischen Notwendigkeiten halten.

Die Neutralität der Schweiz sei schon immer dehn- und knetbar gewesen wie ein Kaugummi, darauf weist der emeritierte Historiker Hans-Ulrich Jost in einem Interview mit der «SonntagsZeitung» hin. Einerseits sei um die Neutralität ein Mythos entstanden, andererseits bleibe der Begriff abstrakt. Es gebe unzählige Beispiele für eine doppelbödige Politik im Hinblick auf die Neutralität. Er bleibe skeptisch. Wenn man die Neutralität derart hochstilisiere wie in der Schweiz und sie nachher ständig unterwandere, so sei das unehrlich.

Waffenlieferungen seien nicht ohne Verletzung der Neutralität möglich, so Jost. Diese Situation habe die Eidgenossenschaft im Ersten Weltkrieg schon einmal gehabt, als die Schweiz Waffen an Frankreich und Grossbritannien geliefert habe.

GLP will sogar Abkehr

Noch weiter geht die Grünliberale Partei (GLP). Sie fordert laut «NZZ am Sonntag» als erste Partei der Schweiz eine Abkehr von der heutigen Neutralität. Konkret schlägt GLP-Nationalrat Beat Flach vor, dass Waffen künftig an demokratische Länder geliefert werden dürfen, wenn diese Staaten Opfer eines Angriffskrieges werden. Nichtdemokratische Staaten sollen dagegen auch in Friedenszeiten keine Waffen erhalten, sagte Flach gegenüber der «NZZ am Sonntag».

Unterstützung erhält Flach von Parteipräsident Jürg Grossen sowie von Fraktionschefin Tiana Angelina Moser. Auch sie fordern eine Neuinterpretation der Neutralität. Der Begriff der Neutralität beruhe auf dem Haager Abkommen von 1907. Grossen hatte bereits am Montag gegenüber SRF gesagt, dass die Schweiz der Ukraine helfen und die Lieferung von Munition via Deutschland möglich sein sollte. «Wenn wir das wollen, dann müssten wir jetzt eine Gesetzesänderung auf den Weg schicken. Der Bundesrat könnte das schnell anstossen.» Als Zeitpunkt für die Debatte in den Räten nannte Grossen gegenüber SRF die Sonder- und Sommersession. Das wäre schon ziemlich bald, denn die Sondersession findet vom 9. bis 11. Mai statt.

Video
Jürg Grossen: «Waffen oder zumindest Munition soll auch in der Ukraine zum Einsatz kommen»
Aus News-Clip vom 25.04.2022.
abspielen. Laufzeit 34 Sekunden.

Einigkeit herrscht in dieser Frage allerdings nicht: Die bürgerlichen Parteien SVP, FDP und Mitte lehnen Waffenlieferungen an kriegführende Parteien ab – egal ob an Demokratien oder Diktaturen, denn dies widerspreche der Neutralität. Immerhin zeigen sie sich offen für die Debatte über eine (neue?) Interpretation des Neutralitätsbegriffs – und diese dürfte hart geführt werden.

SRF 4 News, 01.05.2022, 6:00 Uhr ; 

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