Hier ging die Post ab: Jetzt muss dringend Ordnung her im unübersichtlich gewordenen Geflecht des Gesamtsystems Post als bundesnahes Unternehmen. Dies war der Grundtenor im Nationalrat im Nachgang zum Postauto-Skandal. Nach den millionenschweren Tricksereien bei der Postauto AG ging die grosse Kammer mit der Konzernspitze und dem Bundesrat hart ins Gericht, sparte aber auch nicht mit Selbstkritik. Von einer Irrfahrt der Post, Vertrauensverlust, Betrug am Steuerzahler, fehlender Distanz und Missmanagement war vielfach die Rede. Neben schonungsloser Aufklärung wurden auch personelle Konsequenzen gefordert. Postministerin Doris Leuthard betonte, dass das Ende der 1999er Jahre auch mit dem Segen des Parlaments eingeführte heutige Mischsystem entflochten werden müsse. Die vielen Schnittstellen erschwerten auch die Aufsicht. Das Personenbeförderungsgesetz müsse entsprechend revidiert werden.
Thomas Hardegger (SP/ZH) ortete bei der Post fatale Mängel in der Wahrnehmung der Eignerpflichten. Verantwortliche seien in ihrem Fehlverhalten gedeckt worden. Nun müssten beim Konzern und seinen vielen Töchtern die Kontrollen getrennt und aufeinander abgestimmt werden.
Die von der Postauto AG durchgeführten buchhalterischen Tricksereien seien sehr gravierend und gingen zulasten der Steuerzahler, betonte Thierry Burkart (FDP/AG). Die Politik habe dabei die Zielkonflikte mitverschuldet, indem keine klare Trennung zwischen den Service-public-Bereichen und den im Wettbewerb stehenden Geschäftsbereichen gefordert worden sei: «Abspaltungen und Privatisierungen dürfen dabei kein Tabu sein. Lassen Sie uns aus der Postauto-Affäre die Lehren auch bei den systemischen Fehlern ziehen», appellierte Burkart.
Einige Antworten könnten erst nach Ablauf der Untersuchungen gegeben werden, sagte Thomas Ammann (CVP/SG). Völlige Transparenz über die Verantwortung im Zeitraum der mutmasslichen Verfehlungen zwischen 2007 bis 2015 müsse hergestellt werden. Die CVP unterstütze den Bundesrat, die Struktur der Subholding zu überprüfen, damit die subventionsrechtlichen Verfahren künftig eingehalten werden. «Für uns ist heute schon klar, dass auch im Verwaltungsstrafrecht Regelungsbedarf besteht. Das hat der Bundesrat erkannt», sagte Ammann.
«Sie haben uns nicht angelogen, aber man hat Sie angelogen», stellte Ulrich Giezendanner (SVP/AG) an die Adresse von Bundesrätin Doris Leuthard fest. Der «Fuhrhalter der Nation» kritisierte die Untätigkeit der Aufsichtsgremien aufs Schärfste. Die Quersubventionierungen in gewissen Unternehmungen seien unhaltbar, sagte er vor allem mit Blick auf die Tochterfirma CarPostale France. An deren Spitzen stünden zum Teil «profilneurotische Unternehmer», die gar keine seien. Zur Aufklärung der Affäre verlangte Giezendanner nicht nur Juristen, sondern auch Fachleute aus dem Transportbereich.
«Ich habe Bauklötze über die gemachten Konstrukte gestaunt. Sie laden geradezu ein, solche Vergehen wie die vorliegenden zu begehen», stellte Hans Grunder (BDP/BE) fest. Gerade die Offerten seien ein Etikettenschwindel, denn die Deals würden einfach ausgehandelt und auch die Verwendung von allfälligen Gewinnen sei zweifelhaft.
Der Vertrauensverlust in die Postspitze und den Bundesrat sei gross, erklärte Regula Rytz (Grüne/BE): Bei den Betrügereien mit Diesel und Pneus denke man an korrupte Elite in Drittweltländern. Hier gehe es aber um ein 112-jähriges Unternehmen im Bundesbesitz, das den Bürgern gehöre. Es brauche nun auch personelle Konsequenzen. «Wir fordern einen weitgehenden Boni-Verzicht», so Rytz. Nur an den grosszügigen Boni herumschrauben genüge nicht. Unabhängig vom Postauto-Skandal bestehe auch Handlungsbedarf beim Service-public-System. Dazu gehöre die Anpassung der strategischen Ziele der Post. Und zwar weg von den bisherigen widersprüchlichen Anforderungen mit der Gewinnvorgabenpraxis und den Fehlanreizen. Aber auch das Parlament müsse mehr Verantwortung übernehmen mit einer parlamentarischen Aufsichtsdelegation.
Die Postauto AG als Teil eines riesigen Staatskonzerns beisse sich selber in den Schwanz, erklärte Jürg Grossen (GLP/BE): Der Skandal stehe für ein grundsätzliches Problem. Denn es müssten Dienstleistungen im Monopolbereich wie auch im freien Markt erbracht werden. Staatskonzerne seien von sich aus und teilweise getrieben von Renditeerwartungen in Märkte vorgedrungen: «Das ist problematisch, wie die starke Opposition der Wirtschaft in einigen Kantonen zeigt.»
Postministerin zum Gesamtsystem: Bundesrätin Doris Leuthard bedankte sich für die Diskussion, auch wenn sie zu einem Zeitpunkt stattfinde, wo die Untersuchungen noch im Gang seien. Es sei aber eine gute Gelegenheit, auch übers gesamte System zu sprechen. Sie erinnerte mit Blick auf Post, SBB und Swisscom, dass die heutige Struktur mit ihrem Mischformen so gewollt und Ende 1990 eingeführt worden sei. Leuthard betonte, dass die Steuerung der verselbständigten Einheiten des Bundes Aufgabe des Bundesrats ist, aber dass dieser keine Aufsichtsfunktion wahrnehme. Dafür seien spezielle Gremien bestimmt worden, für den abgeltungsberechtigten öffentlicher Verkehr etwa das Bundesamt für Verkehr (BAV). Leuthard hofft nun, dass das heutige Personenbeförderungsgesetz bald revidiert werden kann. Denn das jetzige Mischsystem habe viele Schnittstellen und erschwere die Aufsicht. «Wir sind schon lange mit den Kantonen daran, das heutige System zu entflechten.»