Die Postauto AG hat über Jahre illegal Gewinn erwirtschaftet. Erträge über 92 Millionen Franken haben Top-Kader aus dem subventionierten Regionalverkehr umgebucht und in anderen Sparten versteckt. Doch wie funktionierte der Bschiss auf den subventionierten Linien?
Erstmals kann dies die «Rundschau» an einem konkreten Fall aufzeigen. In Lyss, Kanton Bern, betrieb Postauto drei Jahre lang einen öffentlichen Ortsbus. Der Kanton und seine Gemeinden zahlten dafür über eine halbe Million Franken. Vertrauliche Dokumente von Postauto zeigen, dass die Manager von Postauto die Kosten gegenüber dem Kanton und der Gemeinde höher dargestellt haben als sie gemäss interner Schätzung wirklich waren.
In einer vertraulichen Kostenaufstellung steht klar, auf die Kosten werde noch ein «Ebit-Zuschlag von 5 % aufgerechnet». Ebit ist ein Fachausdruck für Gewinn. Diesen Gewinnzuschlag versteckten die verantwortlichen Postauto-Manager in den Kosten. Im entsprechenden Dokument steht: «Die erzielten Gewinne werden nicht ausgewiesen und verbleiben in der Aufwandskalkulation in gleicher Höhe.» Zum ersten Mal bestätigt sich damit auch die Vermutung kantonaler Verkehrsdirektoren, dass nebst dem Regionalverkehr auch der Ortsverkehr betroffen ist.
«Das muss Konsequenzen mit sich bringen»
Der Postauto-Skandal führte bereits letzte Woche zur Frühpensionierung des Postauto-Chefs Daniel Landolf. Und dem Finanzchef wurde die operative Verantwortung entzogen. Durch die Dokumente, die der «Rundschau» vorliegen, geraten nun weitere Top-Kader in Verbindung zur Gewinnpraxis. Die Post, das Bundesamt für Verkehr und die Verkehrsdirektion des Kantons Bern, wollten zum Fall keine Stellung nehmen.
Seit der «Blick» publik machte, dass Susanne Ruoff, die Chefin des Mutterkonzerns Post, seit 2013 über heikle Buchungen bei Postauto im Bild war, gerät auch sie ins Visier. Ruoff reagierte auf die Enthüllung und erklärte letzte Woche, dass sie von illegalem Handeln nichts gewusst habe.
Wenn das stimmt, ist das ein Skandal. Das geht in Richtung Betrug und muss Konsequenzen mit sich bringen. Von der obersten Post-Chefin bis zur Geschäftsleitung.
In der «Rundschau» äussert sich der in Lyss wohnhafte Nationalrat Corrado Pardini (SP/BE). Die «Rundschau» zeigte ihm die frisierten Offerten für den Postauto-Ortsbus in Lyss. Er sagt: «Wenn das stimmt, ist das ein Skandal. Das geht in Richtung Betrug und muss Konsequenzen mit sich bringen. Von der obersten Post-Chefin bis zur Geschäftsleitung. »
Bundesamt für Verkehr: Jetzt spricht der Revisor
Nun äussert sich auch erstmals der Revisor des Bundesamtes für Verkehr, der den Millionen-Skandal aufdeckte, grundsätzlich zum Fall Postauto. Der 44-Jährige Pascal Stirnimann leitet als jüngster Sektionschef im Amt das dreiköpfige Revisions-Team.
Zusammen mit Kollege Heinz Rau sparte der diplomierte Wirtschaftsprüfer dem Steuerzahler mindestens 92 Millionen Franken Steuergelder durch seine Arbeit. Trotz dieser Leistung bleibt Stirnimann bescheiden: «Es gehört zum Berufsethos des Revisors, dass er sehr beharrlich ist, sehr skeptisch ist und sich nicht immer mit den ersten Antworten zufrieden gibt.»
Was sicher auffällig war, ist die Systematik der Umbuchungen. Man hat über einen langen Zeitraum sehr viele Umbuchungen vorgenommen.
Stirnimann sagt: «Was sicher auffällig war, ist die Systematik der Umbuchungen. Man hat über einen langen Zeitraum sehr viele Umbuchungen vorgenommen.» Die Revision deckte bei Postauto 18'000 bis 20'000 illegale Umbuchungen pro Jahr auf.
Stirnimann musste in seiner Prüfung gegen Widerstände von Seiten Postauto ankämpfen. Besonders beim Aktenzugang habe es «Meinungsverschiedenheiten» gegeben: «Es war sicher erschwerend, dass wir Mühe hatten, gewisse Unterlagen zu bekommen über einen längeren Zeitraum. Durch das Einschalten der Konzernleiterin haben wir volle Einsicht bekommen.»