Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) wurde in den letzten Jahren von den Aufsichtsorganen immer wieder für seinen Daten-Hunger gerügt. Wegen dieser Kritik verlangten mehrere Organisationen Akteneinsicht darüber, was der Geheimdienst über sie speichert.
Grüne: Über 2000 Einträge
Eine davon ist die Partei Grüne Schweiz. Resultat: 2394 Treffer in der NDB-Suche zu den Grünen, 110 Einträge zu Präsident Balthasar Glättli selbst. Dieser nennt dies eine «Sammelwut à gogo», weil selbst alte Hinweise über Delegiertenversammlungen in der Arbeitsdatenbank des NDB lagerten: «In einer Datenbank, die Informationen über Terrorismus, Spionage oder gewalttätigen Extremismus erfasst, haben Hinweise zu Delegiertenversammlungen nichts zu suchen.»
Laut Gesetz darf der NDB keine Informationen über politische Betätigung oder zur Ausübung der Meinungsfreiheit beschaffen, ausser bei konkreten Hinweise zu terroristischen oder gewalttätig-extremistischen Aktivitäten.
Als Beifang in den Datenbanken gespeichert
Doch viele Informationen in den Speichersystemen des NDB haben mit dem gesetzlichen Auftrag nichts zu tun. Sie gelangen sozusagen als Daten-Beifang in die Datenbanken. Ein Beispiel: Die Grünen-Nationalrätin Marionna Schlatter wurde erfasst, weil ihr Name in einem Zeitungsartikel genannt wurde - und auf der gleichen Seite ein Artikel über einen verdächtigen Gewalt-Extremisten abgedruckt wurde. Die ganze Seite landete im Geheimdienst-Archiv.
Wie kann der NDB guten Nachrichtendienst betreiben, wenn er einen Haufen unnützer Daten verwaltet?
Staatsrechtler Professor Markus Schefer kritisiert, dass der NDB unbeteiligte Dritte in seinen Ablagesystemen führe: «Wie kann der NDB guten Nachrichtendienst betreiben, wenn er einen Haufen unnützer Daten verwaltet», fragt Schefer. «Es wäre in seinem eigenen Interesse zurückzustutzen, und es wäre sicher im Interesse der Grundrechte der Betroffenen.»
Der NDB beobachte und überwache die Grünen nicht, sagt dagegen die Medienverantwortliche des NDB, Isabelle Graber. Der NDB interessiere sich für andere Aspekte in den abgespeicherten Dokumenten.
Der NDB sammelt keine Informationen über Parlamentarier, politische Gruppierungen oder Parteien
SRF Investigativ machte die Umfrage bei den nationalen Parteien. Keine ausser der Grünen Schweiz hat ein Gesuch für Akteneinsicht gestellt.
Auch zum Jugenddachverband «SAJV», der unter anderem die Pfadi vertritt, gibt es Einträge - etwa zu einem bewilligten, harmlosen Strassentheater. «Wir haben das Gefühl, dass der NDB immer noch zu viel und zu breit sammelt», sagt Raphaël Bez vom Jugenddachverband: «Wir brauchen keinen neuen Fichenskandal».
SRF Investigativ hat Kenntnis von einem halben Dutzend Organisationen, die so in den Datenbanken des NDB landeten. Auch die NGO «Public Eye», die sich für gerechteren Welthandel einsetzt. Der NDB schreibt auch hierzu, die Organisation sei für ihn nicht von Interesse. Zum Zeitpunkt der Akteneinsicht hatte der Verein jedoch über 400 Treffer. Einige davon in der Datenbank für Gewaltextremismus.
«Das ist für uns überhaupt nicht nachvollziehbar, und der NDB hat das auch nicht begründet», sagt Geschäftsleitungsmitglied Christa Luginbühl. «Das besorgt uns extrem.» Der Nachrichtendienst schreibt, er interessiere sich für andere Aspekte in diesen gespeicherten Dokumenten.
Putzaktion beim NDB
Konfrontiert mit diesen bisher nicht publiken Beispielen, macht der NDB nun eine geheime Weisung publik. Seit letzten September bereinige man die Datenbanken. Viereinhalb Millionen Meldungen seien bereits gelöscht. «Wir löschen und löschen», sagt Isabelle Graber. Zudem werde jetzt jede eingehende Meldung auf ihren nachrichtendienstlichen Bezug geprüft.
Der NDB handelt strikt nach dem Gesetz und wird extrem eng kontrolliert. Unbeteiligte Dritte haben vom NDB nichts zu befürchten.
Das sei ein Fortschritt und müsse nun aber auch in die aktuelle Revision des Nachrichtendienstgesetzes einfliessen, sagt Staatsrechtler Schefer: «Die gute Idee der Prüfung jeder einzelnen Person und jeder einzelnen Organisation sollte deutsch und deutlich im Gesetzestext zum Ausdruck kommen.»