Schon geimpft? Eine simple Frage, die die Gesellschaft spaltet. Fast die Hälfte der Schweizer Bevölkerung ist vollständig geimpft und Besitzerin eines Covid-Zertifikats – und hat damit das Ticket für gewisse Privilegien in der Tasche.
Das Bündner Unternehmen Hamilton Bonaduz etwa befreit seit dieser Woche geimpfte und genesene Angestellte von der Maskenpflicht. «Das machen wir vor allem deshalb, weil wir unseren Mitarbeitenden eine Erleichterung gewähren wollen, vor allem jenen in der Produktion, die unter harten und heissen Bedingungen arbeiten», sagt Mediensprecherin Noemi Deak. Die Belegschaft spalte sich dadurch nicht, da sie schon immer offen über die Impffrage diskutiert habe. «Die Erleichterung wurde willkommen geheissen, hat aber keine grossen Wellen geworfen.»
Schutz der Arbeitenden
Dass der Arbeitgeber Zertifikat-Besitzern gewisse Extras zugesteht, befürwortet Verena Herzog, SVP-Nationalrätin und Mitglied der Sozial- und Gesundheitskommission (SGK) des Nationalrats. «Es ist nur recht, dass man gewisse Erleichterungen haben soll, wenn man seine Pflicht wahrnimmt. Das leuchtet den meisten Leuten am wenigsten ein, wenn ich geimpft bin und dann auch noch eine Maske tragen muss.».
Eine Diskriminierung sei dies nicht, sondern ein urliberaler Gedanke: «Ein Arbeitgeber muss seine Leute schützen können. Ihm ist es ein Anliegen, dass seine Leute arbeiten können. Ein Baustellenleiter schaut auch, dass seine Leute Helme tragen.»
Verständnis fehlt auf beiden Seiten
Laut Ethikerin Ruth Baumann-Hölzle entsteht dadurch eine problematische Klassifizierung. «Es geht nicht nur um Maske und nicht Masken, sondern es geht im Hintergrund implizit immer auch um eine moralische Wertung.»
Wir haben ethische Dilemmas. Die können wir nie lösen, sonst wären es keine Dilemmas.
Die Folge: eine zunehmende Spaltung der Gesellschaft. Es fehle das Verständnis von beiden Seiten, sowohl von der Impf-Pro-Seite als auch von der Kontra-Seite. «Wir haben ethische Dilemmas. Die können wir nie lösen, sonst wären es keine Dilemmas, aber wir können besser oder schlechter damit umgehen.»
Informieren statt privilegieren
Grüne-Nationalrätin und SGK-Mitglied Katharina Prelicz-Huber ist vorerst gegen Druck und Sanktionen und befürwortet offensive Kampagnen. «Solange wir noch nicht wirklich ausgenutzt haben, dass man die Leute gut informiert hat, dass wir mit der Impfung vor Ort gegangen sind und niederschwellig geimpft haben, müssen wir noch zuwarten mit Sanktionierungen.» Diese brächten die Gesellschaft auseinander, statt zusammen.
Statt Ungeimpfte und Geimpfte unterschiedlich zu behandeln, sollten einheitliche Lösungen gefunden werden. «Wir müssen miteinander reden, dass wir keine Ausgeschlossenen haben. Sonst gibt es Verhärtungen und ein schlechtes Klima», sagt Prelicz-Huber.
Die Impffrage spaltet. Doch das Ziel bleibt wohl für alle das Gleiche: Die Pandemie so schnell wie möglich beenden.