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Pro-Palästina-Aktion sorgt für Unruhe
Aus Schweiz aktuell vom 14.06.2024.
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Pro-Palästina-Proteste Intifada-Aufrufe an der Zürcher Kunsthochschule

Eine Störaktion an der Diplomfeier und antisemitische Schmierereien: Seit Wochen brodelt es im Toni-Areal.

Der Apéro steht bereit, die Rektorin spricht feierliche Worte: Dann unterbrechen laute Rufe die Diplomfeier an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK). Es regnet Flugblätter mit der Parole «Long live the Student Intifada». Weil die Zwischenrufe nicht enden, greift der Sicherheitsdienst ein, führt zwei Personen aus dem Gebäude.

Schulleitung lässt Parolen an Wänden übermalen

Das war am Donnerstag letzter Woche, wie die ZHdK Recherchen von SRF bestätigt. Bereits zuvor war es im Toni-Areal wiederholt zu pro-palästinensischen Protesten gekommen. Moshe (Name geändert), ein ZHdK-Student aus Israel, sagt gegenüber SRF, er und andere jüdische Studierende fühlten nicht mehr sicher.

Was die Protestierenden fordern

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Unter dem Slogan «No Arts for Genocide» führen ähnlich wie an anderen Hochschulen auch Kunststudierende eine Kampagne, mit der die Schulleitung zum Abbruch aller akademischer Beziehungen zu israelischen Universitäten bewegt werden soll.

Als Beispiel nennt die Gruppe die Bezalel Academy of Arts and Design, mit der die ZHdK kooperiere. An der Bezalel würden Uniformen für die israelische Armee entworfen und genäht, so die Protestierenden.

Die ZHdK schreibt, alle internationalen Kooperationen würden gemäss einem Leitfaden für verantwortungsvolle internationale Zusammenarbeit beurteilt.

An eine Wand gemalt prangte im Mai die palästinensische Flagge, darunter die Worte «From the River to the Sea, Palestine will be free». Manchen gilt die Parole als Aufruf, Israel zu zerstören, andere interpretieren sie als Ruf nach Freiheit für alle.

Die Schulleitung liess Flagge und Parole übermalen, was zu einer Kontroverse führte. Kunst- und Meinungsfreiheit würden eingeschränkt, kritisieren einige Studierende, und die Urheberin zeigte sich in Social-Media-Posts in ihren Gefühlen verletzt.

Überlebensgrosser Schriftzug an Betonwand «Toni-Areal»: davor stehen zwei Männer
Legende: Der Campus der ZHdK befindet sich auf dem Areal der ehemaligen Toni-Joghurtfabrik in Zürich-West: daher der Name. KEYSTONE/Archiv/Christian Beutler

Auch weitere Parolen und Darstellungen seien in den letzten Wochen übermalt worden, teilte die ZHdK-Leitung mit. Die Anzahl bewege sich im einstelligen Bereich. Weder die genaue Zahl noch die Inhalte will die Medienstelle nennen.

Strafanzeigen hängig

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Auf ihrer Website informiert die ZHdK laufend über die Proteste. Demnach fanden ab Mitte Mai friedliche Mittagstreffen statt, an denen weder die Hausordnung des Toni-Areals verletzt noch strafrechtlich relevante Handlungen begangen worden seien.

Später im Mai der Eintrag: «Seit einigen Tagen werden in den Räumlichkeiten des Toni-Areals verstärkt antisemitische Schmierereien angebracht, die vom Hausdienst umgehend entfernt und zur Anzeige gebracht werden.»

Ein anonymes jüdisches Kollektiv, das die Proteste in Social-Media-Posts unterstützt, kritisiert die Schulleitung, dass die Inhalte der einzelnen Vorfälle nicht genannt würden. Der Vorwurf Antisemitismus würde so missbraucht, um Israel-Kritik zu unterbinden.

Gleichzeitig sieht sich die Schulleitung auch mit dem Vorwurf konfrontiert, zu wenig gegen die Proteste zu unternehmen. Auf Anfrage schreibt die ZHdK, man setze sich vehement gegen jede Art der Ausgrenzung und Diskriminierung ein. Allfällige Anpassungen am Sicherheitskonzept würden laufend evaluiert und könnten nicht näher kommentiert werden.

Der Studierendenverband an der ZHdK kritisiert die Reaktion der Schulleitung. Friedliche Proteste müssten möglich sein, sagt Co-Präsident Jonas Bernetta gegenüber SRF.

Aktionen werden in den Sozialen Medien öffentlich gemacht

Am Mittwoch vergangener Woche sollte im Toni-Areal ein «Video Essay über Zionismus» gezeigt werden. Auf einem Telegram-Kanal war das Video eines Aktivisten angekündigt, der unter Pseudonym in Sozialen Medien aktiv ist. Sein X-Konto zeigt Posts mit Schreckensbildern aus dem Gazastreifen, des in Deutschland verbotenen Samidoun-Netzwerks, oder der PFLP, die in der EU als Terrorgruppe gelistet ist.

Der Ort der Vorführung wurde kurz vor Beginn auf Telegram bekannt gegeben: Ein Raum im Toni-Areal, der zur Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) gehört. Die ZHAW schreibt, der Hausdienst habe zwei Studierende, die den Anlass durchführen wollten, gebeten, die Räumlichkeiten zu verlassen.

In der gleichen Woche: An Betonpfeilern vor dem Toni-Areal klebten Plakate, die in ihrer Gestaltung der Werbung für die Diplomausstellung entsprachen – mit einem Unterschied im Text: «Long live the Student Intifada». Die Flyer an der Störaktion der Diplomfeier zeigten das gleiche Motiv.

«Intifada bedeutet für mich: Explosionen in Bussen»

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Intifada bedeutet wörtlich übersetzt «Aufstand», für viele Palästinenser gilt das als Freiheitskampf in den von Israel besetzten Gebieten.

ZHdK-Student Moshe (Name geändert) erzählt gegenüber SRF, er sei während der zweiten Intifada (ab 2001) in Israel aufgewachsen. «Menschen in meinem Alter wissen, was das bedeutet: Explosionen in Bussen. Schiessereien in Restaurants.»

Auf die palästinensischen Terroranschläge reagierte die israelische Armee mit Gegenschlägen. Während mehrerer Jahre starben auf beiden Seiten insgesamt über 4000 Menschen, auf palästinensischer Seite gemäss «Britannica» dreimal so viele wie Israeli.

Die Intifada-Plakate und die Störaktion sind in Videos auf Instagram veröffentlicht worden. Eine Interviewanfrage von SRF lehnte die Gruppe ab. Ein Kollektiv, das sich als «jüdisch, antizionistisch und dekolonial» bezeichnet und die Protestaktionen an der ZHdK in Social-Media-Posts unterstützt, reagierte nicht auf Interviewanfragen. In Stellungnahmen auf Instagram bezeichnen sie die Aktionen als israelkritikisch und nicht antisemitisch.

Schweiz aktuell, 14.06.24, 19 Uhr

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