Es waren Fälle, die landesweit für Aufsehen sorgten: Mitte Juni starb auf der Stutzalp bei Splügen GR die Schutzhündin einer Schafsherde. Beim Kampf mit Wölfen des Beverin-Rudels stürzte das Tier über eine Felswand. Und erst letztes Wochenende rissen Wölfe des gleichen Rudels eine siebenjährige Mutterkuh auf der Alp Nurdagn am Schamserberg.
Der Bündner Jagdinspektor Adrian Arquint spricht gegenüber SRF von «besorgniserregenden Entwicklungen». Deswegen will die Kantonsregierung nun reagieren. Ein Pilotprojekt soll helfen, die Herdenschutzmassnahmen zu verbessern.
Viel Neues kann gar nicht ausprobiert werden
Dabei sollen in lokalen, eher kleinräumigen Gebieten einzelne Massnahmen ausprobiert werden. Nach einer Überwachung und einem Resultat könnten dann erfolgreiche Handlungen in eine Revision des Bundesjagdgesetzes aufgenommen werden. Erfolglose Ideen werden verworfen.
Man müsste das Jagdgesetz in einem gewissen Punkt fundamental anpassen.
Doch das Projekt der Bündner Regierung steht auf der Kippe. Regierungspräsident Marcus Caduff sagt im «Bündner Tagblatt»: «Der Bund signalisierte, dass sich das Projekt im Rahmen des geltenden Jagdgesetzes bewegen muss.» Will heissen: Viel Neues kann man gar nicht ausprobieren.
Denn das eidgenössische Jagdgesetz ist strenger. Regierungsrat Mario Cavigelli sagt zum Regionaljournal von Radio SRF: «Man müsste das Jagdgesetz in einem gewissen Punkt fundamental anpassen.»
«Keine andere Möglichkeit»
Eine mögliche Massnahme wäre der Abschuss eines Leitwolfs und eine Analyse der Folgen. «Die Schulmeinung dazu ist, dass das Rudel zerfällt und es durch die Einzelwölfe möglicherweise mehr Risse gibt. Doch was in der Praxis passiert, wissen wir eben nicht», sagt Peter Küchler zum «Bündner Tagblatt». Er ist Direktor der Landwirtschaftsausbildungsinstitution Plantahof in Landquart.
Der Wolf M92 ist der Leitrüde des problematischen Beverin-Rudels, das unter anderem auch auf der Stutzalp sein Unwesen trieb. Er soll gemäss mehreren Meinungen «entnommen» werden, wie auch seine diversen direkten Nachkommen. Regierungsrat Cavigelli sagt dazu: «Wir haben keine andere Möglichkeit, als den Leitwolf M92 zu schiessen. Man muss aber im Fokus behalten, dass man auch das ganze Beverin-Rudel entnehmen können müsste.»
Beverin-Rudel «nicht repräsentativ» für andere Wölfe
Der Abschuss eines ganzen Rudels? Der Bündner Regierungsrat plädiert für eine präventive Bestandesregulierung des Wolfs. Die Entwicklung zeige steil nach oben, sagt Cavigelli. «Heute ist der Wolf nicht mehr so gefährdet. Es gibt Möglichkeiten der Regulierung. Das machen wir bei den Steinböcken seit Jahrzehnten so.»
Auch Schafhirte Philipp Jacobi würde eine solche Massnahme begrüssen. Er ist Pächter der Stutzalp, wo eine Herdenschutzhündin abstürzte. «Aus meiner Sicht wäre es wichtig, dass das Leittier M92 verschwindet. Mit einem normalen Wolfsrudel könnten wir vermutlich umgehen.» Der Wolf habe durchaus seinen Platz in den Bergen, so der Hirte. Das aggressive Beverin-Rudel sei nicht repräsentativ.
Will man also geeignete Massnahmen ergreifen, müsste der Bund die eidgenössische Jagdverordnung anpassen oder das Jagdgesetz im Parlament bearbeiten. Das Gesetz könnte allenfalls noch vor die Stimmbevölkerung kommen. Das ist bislang noch nicht passiert. Wie und wann es passieren wird, ist unklar.