Marcel Salathé, Epidemiologe an der ETH Lausanne und Mitglied der Covid-Task-Force des Bundes, macht sich mit Blick auf die Fallzahlen Sorgen: «Im Moment klappt es auf keinen Fall, das sehen wir an den Zahlen. Die gehen weiter hoch.» Er präzisiert: «Wir sehen, dass es nicht geklappt hat, denn was wir heute sehen, ist eigentlich die Realität vor rund zehn Tagen.»
Was wir heute sehen, ist eigentlich die Realität vor rund zehn Tagen.
Er schliesst daraus, dass es wichtig ist, «dass man schneller testet, dass man das Contact Tracing schneller macht und dass die Codes für die App schneller generiert werden. Da gibt es noch viel Potenzial, um es effizienter zu gestalten». Das ist wichtig, weil es jetzt, mit ein paar Hundert Neuinfektionen pro Tag, einfacher ist, die Situation zu kontrollieren, so Salathé weiter.
Jede zehnte Infektion wird gemeldet
Der Epidemiologe spricht die Covid-App an, die er mitentwickelt hat. Sie informiert deren Nutzerinnen und Nutzer anonym über Kontakte mit Infizierten. Über zwei Millionen Menschen in der Schweiz haben die App heruntergeladen, nicht alle haben sie aber aktiviert. Eine Datenanalyse der NZZ zeigt nun, dass nur jede zehnte Neuinfektion auch tatsächlich über die App gemeldet wird.
Der wichtigste Grund dafür ist laut der Analyse, dass die kantonalen Behörden den nötigen Code zu spät oder gar nicht an die positiv getesteten Personen weitergeben; dass also infizierte Nutzer der App diese Information gar nicht über die App weitergeben können, selbst wenn sie es wollten.
Code ist nur 24 Stunden lang gültig
Rudolf Hauri, Präsident der Kantonsärztinnen und -ärzte, kennt die Tücken im Umgang mit der App: «Es kann sein, dass ein SMS nicht gelesen wird, weil der Absender unbekannt ist. Es kann aber auch sein, dass eine Mitteilung zu spät gesehen wird. Der Code ist nämlich nur 24 Stunden aktiv, danach verfällt er.»
Ein rasches Informieren sei wichtig, sagt auch Tobias Bär, Sprecher bei der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektionen: «Wo es zu unnötigen Verzögerungen kommt, müssen die Abläufe verbessert werden. Die Frage wird beim regelmässigen Austausch zwischen dem Bund und den Kantonen sicher auf den Tisch kommen.» Die Behörden wollen dem Problem auf den Grund gehen und setzen weiter auf das Testen und das Contact Tracing.