Knall auf Fall hat die Geburtenabteilung des Spitals Frutigen im Berner Kandertal dichtgemacht. Nur elf Tage nach dem kommunizierten Entscheid des Spitals hat die Maternité für immer geschlossen. Bereits sind die letzten Gebärbetten aus dem Kreissaal gefahren worden.
Gerade die Kurzfristigkeit der Schliessung erzürnt die Bevölkerung: «11 Tage?! Wo bleibt die Wertschätzung für Frauen und Hebammen?», hiess es jüngst bei einer Demonstration in Frutigen auf einem Plakat.
Statt in Frutigen müssen Hochschwangere nun in Interlaken ihre Kinder zur Welt bringen. Der Transport dorthin dauert 30 Minuten länger als bis anhin. Von Adelboden sind es künftig rund 50 Minuten bis zur Geburtenstation in Interlaken statt wie früher 17 bis nach Frutigen.
Weiter als nach Frutigen hätte ich es nicht geschafft.
Betroffen ist etwa Sandra Germann, die in Adelboden wohnt und ihr viertes Kind erwartet. «Bei meiner dritten Geburt reichte es nur ganz knapp bis nach Frutigen. Weiter hätte ich es nicht geschafft», sagt die Mutter, welche in der 38. Schwangerschaftswoche ist.
Die Beleghebamme Anita Germann sagt, die Schliessung sei eine Zumutung für alle Frauen in der Region. «Ich bin mir sicher, dass etliche Babys auf dem Weg nach Interlaken zur Welt kommen werden», sagt sie. Und wenn Frauen etwas bei einer Geburt nicht benötigten, sei dies unnötiger Stress.
Fachkräftemangel als Problem für Geburtsabteilungen
Gegen die Schliessung der Geburtenabteilung am Spital Frutigen regt sich Widerstand: Gegen 30'000 Personen haben bereits eine Online-Petition für den Erhalt der Geburtenabteilung Frutigen unterzeichnet.
Was sagen die Verantwortlichen dazu? Der Berner Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg versteht die Enttäuschung über die Schliessung der Geburtenabteilung.
An der Konzentration der Geburtsstationen an wenigen Standorten führe jedoch kein Weg vorbei. «Es geht hier um Fachkräftemangel. Wir sollten nicht träumen, denn wir werden in Zukunft nicht mehr Fachkräfte haben.» Deshalb sei es wichtig, die Ressourcen möglichst gut zu nutzen.
Es geht hier um Fachkräftemangel.
Für eine Geburt in einem Spital sei eine umfassende Vor-Ort-Bereitschaft zahlreicher Fachkräfte – etwa Anästhesiepersonal oder Laborfachleute – im Hintergrund erforderlich, die im Notfall sofort eingreifen könnten.
«Nur so kann die Sicherheit von Mutter und Kind jederzeit gewährleistet werden», sagt Karin Ritschard Ugi, Verwaltungsratspräsidentin der Spitäler FMI AG, zu der das Spital Frutigen gehört.
Man habe im Spital Frutigen die Situation gehabt, dass man nicht mehr alle für eine Geburt nötigen ärztlichen Dienste habe abdecken können. «Darum haben wir uns dazu entschieden, die Geburtenabteilung zu schliessen», so Ritschard Ugi.
Im letzten Jahr verzeichnete das Spital Frutigen 240 Geburten. Wie in vielen anderen Regionen schliesst nun die Geburtsabteilung am Spital Frutigen.
Ein Nachgeschmack bleibt
Für Anita Germann, Beleghebamme aus Adelboden, bleibt ein bitterer Nachgeschmack. «In meinen Augen fehlt jede Wertschätzung für das, was ich und unsere Vorgängerinnen über Jahrzehnte geleistet haben. Und das soll jetzt in nur elf Tagen vorbei sein.»