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Staatsanwaltschaft fordert 18 Jahre Haft für Attentäter von Morges
Aus Tagesschau vom 14.12.2022.
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Prozess nach Messerattacke Die neue Realität der Terror-Bedrohung

Nach drei Tagen Verhandlung vor Bundesstrafgericht in Bellinzona, in dem der Beschuldigte sich wegen Mord und einer Reihe anderer Delikte verantworten muss, drängen sich zwei Hauptfragen auf.

Führte eine Fehldiagnose zur Haftentlassung?

Bis zwei Monate vor der Tat befand sich der Angeklagte in Untersuchungshaft, dies wegen versuchter Brandstiftung. Schon damals wurde ein psychiatrisches Gutachten erstellt. Dieses kam zum Schluss, der Mann leide unter einer Depression. Der neue Gutachter wollte seinen Berufskollegen vor Gericht nicht frontal angreifen, doch wurde klar, dass er die damalige Diagnose für nicht vollständig hält. Denn die Depression sei nur ein Symptom der Schizophrenie, unter der der Mann seit seiner Jugend leide.

Dabei geht um mehr als eine Differenz zwischen Medizinern. Denn die Diagnose vor der Haftentlassung bildete unter anderem die Basis für eine Reihe von Ersatzmassnahmen, etwa einer Therapie, die der Mann befolgen sollte. Er verstiess aber mehrfach gegen die Auflagen. Manche Beobachter sind deshalb der Meinung: Mit der Diagnose Schizophrenie schon damals wäre der Mann nicht in ein Hotelzimmer einquartiert worden, sondern hätte in eine geschlossene Klinik gehört.

Ordentliche Verwahrung oder stationäre Behandlung?

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Der Staatsanwalt des Bundes hat am dritten und letzten Verhandlungstag vor Bundesstrafgericht am Mittwoch die Forderung des Strafmasses bekannt gegeben: 18 Jahre Freiheitsentzug, abzüglich der Untersuchungshaft, und eine ordentliche Verwahrung nach Art. 64 Abs. 1 des Strafgesetzbuches. Der Ankläger sagte, der Mann stelle eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar, nur eine Freiheitsstrafe und die Verwahrung könne das Risiko minimieren.

Die Verteidigerin des Beschuldigten sieht dies anders. Die Gesellschaft könne am besten geschützt werden, wenn gefährliche Personen behandelt würden. Deshalb fordert sie die Einweisung in eine stationäre, geschlossene Behandlung, denn ihr Klient habe eine schwere psychische Störung, wie das auch die Expertise ergeben habe. Die schwersten der vorgeworfenen Taten bestreite ihr Klient nicht. Er bereue dies heute aber zutiefst, so die Verteidigerin. Die Opferanwälte und auch die Anklage nahmen ihm dies allerdings nicht ab.

Entscheiden wird in erster Instanz das Bundesstrafgericht, wo die Verhandlung stattgefunden hat. Die Urteilseröffnung ist auf den 10. Januar 2023 angesetzt.

War die Messerattacke kein Terroranschlag?

Wie weit ein Angeklagter allenfalls psychisch krank ist – und damit nur vermindert oder gar nicht schuldfähig –, ist Standard in Strafprozessen. Geht es um Terrorismusvorwürfe, kommt der Frage aber eine grössere Bedeutung zu. Denn ist jemand vollständig schuldunfähig, bedeutet das, dass die politisch-religiöse Motivation wegfallen würden. Also die Tat eines Verrückten, kein Terrorismus.

Nun zeigte sich in Bellinzona erneut: Oft gibt es kein Entweder-oder. Die Grauzone ist breit. So beschreibt der Gutachter den Beschuldigten als mittleren Grades vermindert schuldfähig, dies wegen seiner psychischen Krankheit.

Dieses Täterprofil, teilweise psychisch krank und gleichzeitig ideologisch radikalisiert und sogar in der dschihadistischen Szene vernetzt, entspricht einem Muster, das europaweit vermehrt zu beobachten war in den letzten Jahren.

Terror und Wahn ist kein Widerspruch. Die Kombination ist Teil der aktuellen Bedrohungslage.

Tagesschau, 14.12.2022, 12:45 Uhr

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