Vor etwas mehr als fünf Jahren kam Mike Ben Peter bei einem Polizeieinsatz in Lausanne ums Leben. Heute beginnt der Prozess gegen sechs Polizisten, denen fahrlässige Tötung vorgeworfen wird. SRF-Westschweizkorrespondent Andreas Stüdli beantwortet die wichtigsten Fragen zum Prozess.
Was ist passiert?
Die Anklageschrift protokolliert den Polizeieinsatz vom 28. Februar 2018 auf die Minute genau: Um 22:30 Uhr sieht ein Polizist Mike Ben Peter. Er hält ihn für verdächtig, weil er sich bei einem Auto zu Boden beugt und ein Plastiksäckchen hervorzieht. Der Polizist geht hin, hält den grossgewachsenen Nigerianer am Arm fest und ruft Verstärkung. Um 22:48 Uhr kommen weitere fünf Polizisten hinzu, bringen den Mann in die Bauchlage und halten ihn fest. Acht Minuten später bemerken die Polizisten, dass Mike Ben Peter bewusstlos geworden ist. Trotz des raschen Eintreffens einer Ambulanz um 23:02 Uhr verstirbt der Nigerianer. Der Anfangsverdacht bestätigt sich später. Im Mund des Nigerianers werden Kokain-Kügelchen gefunden.
Führte das Festhalten in der Bauchlage zum Tod des Nigerianers?
Ja, aber nicht nur, wie die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift festhält. Die sechs Polizisten schlugen das Opfer und setzten Pfefferspray ein. Mike Ben Peter wehrte sich lautstark gegen die Kontrolle, wurde aber gemäss Anklageschrift nicht gewalttätig. Die Polizisten fixierten ihn in der Bauchlage auf dem Boden während mehrerer Minuten, obwohl sie in ihrer Ausbildung über die Risiken einer solchen Bauchlage informiert worden waren. Auch andere Risikofaktoren spielten eine Rolle, wie etwa das Übergewicht des Nigerianers. Schlussendlich verstarb der Familienvater an einem Herzstillstand.
Was wird den sechs Polizisten vorgeworfen?
Sie müssen sich wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung vor Gericht verantworten. Das kann mit einer Freiheitsstrafe von maximal drei Jahren oder einer Geldstrafe sanktioniert werden.
Gibt es in der Westschweiz ein besonderes Problem mit Polizeigewalt gegen Schwarze?
Rassismus sei in der ganzen Schweiz ein Problem, kam die «Grundlagenstudie zu strukturellem Rassismus in der Schweiz» im Dezember 2022 zum Schluss. Die Schweiz ist dafür auch vom UNO-Sonderberichterstatter für Folter und von der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) gerügt worden. In der Westschweiz hat das Thema der Polizeigewalt gegen dunkelhäutige Menschen wegen verschiedener anderer Fälle besonders viel Aufmerksamkeit erhalten. So wurde ein dunkelhäutiger Mann am 30. August 2021 am Bahnhof Morges von der Polizei erschossen. Seither ist es in Lausanne und anderen Westschweizer Städten immer wieder zu Demonstrationen gegen Polizeigewalt gekommen.
Was hat der Fall in Lausanne ausgelöst?
Nach den Todesfällen haben sich die Angehörigen und Unterstützer in einer Gruppe namens «Collectif Kiboko» für die Rechte von Menschen schwarzer Hautfarbe starkgemacht. In Lausanne ist der Fall auch in der Kommunalpolitik angekommen. Im Gemeindeparlament wird ein Verbot der Bauchlage bei Einsätzen der Stadtpolizei gefordert. Der Vorstoss ist noch hängig. Auch zu Prozessbeginn werden Solidaritätskundgebungen vor dem Gerichtsgebäude in Renens/VD erwartet.
Wie geht es weiter?
Für den Prozess sind drei Tage und ein Reservetag veranschlagt. Wann das Urteil verkündet wird, ist noch offen.