Lange haben die Kritikerinnen und Kritiker des Rahmenabkommens mit der EU die öffentliche Debatte geprägt. Nun machen sich in der entscheidenden Phase Befürworterinnen und Befürworter nochmals bemerkbar.
Progresuisse für «goldenen Mittelweg»
Da ist die Organisation Progresuisse. Sie erachtet das Rahmenabkommen als goldenen Mittelweg, um die Beziehungen mit der EU langfristig und stabil weiterzuführen. Die Organisation vereint Firmenchefs, Rektorinnen von Universitäten, Menschen aus allen Parteien ausser der SVP sowie die drei Alt-Bundesräte Doris Leuthard, Arnold Koller und Joseph Deiss.
Das zeige, dass der Rückhalt für das Abkommen grösser sei als es die aktuelle Parteipolitik vermuten lasse, sagt Felix Ehrat, Verwaltungsrat und einer der Mitinitianten von Progresuisse: «Sie dokumentieren, dass die Unterstützung für dieses Vorgehen weit durch unsere Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft geht.»
Klarer Auftrag an Parmelin
Das morgige Gipfeltreffen in Brüssel zwischen Bundespräsident Guy Parmelin und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sei ein wichtiger Schritt, betont Ehrat: «Wir erwarten vom Bundespräsidenten, dass er jetzt mit Frau von der Leyen diese Verhandlungen abschliesst und dann die notwendigen Schritte einleitet, damit letztlich der Souverän in unserem Land über die Verhandlungsergebnisse entscheiden kann.»
Wir erwarten vom Bundespräsidenten, dass er die Verhandlungen abschliesst, damit letztlich der Souverän entscheiden kann.
Neben Progresuisse mobilisiert die Wissenschaftler-Vereinigung Reatch, die auch viele junge Forscherinnen und Forscher vereinigt. In einem offenen Brief bittet sie den Bundesrat, die Perspektiven von Wissenschaft und Bildung zu berücksichtigen.
Appell der Forschenden
Über 600 Personen hätten den Brief mitunterzeichnet, erklärt Reatch-Vizepräsident Joel Lüthi: «Forschung ohne Kooperation ist wie ein Computer ohne Internet – so viel ungenutztes Potenzial. Ohne stabile Beziehungen zur EU steht zum Beispiel unsere Beteiligung am riesigen Forschungsprogramm Horizon Europe auf der Kippe.»
Forschung ohne Kooperation ist wie ein Computer ohne Internet .
Es sei unklar, wie die Europastrategie des Bundesrates eigentlich aussehe, kritisiert Lüthi. Vom morgigen Gipfeltreffen erwartet der Biologie-Doktorand mehr Informationen dazu.
Kantonale Handelskammern: Abschluss oder Plan B
Diese Woche haben auch fast alle Handelskammern der Kantone einen Brief an den Bundesrat geschickt. Sie rufen dazu auf, die Diskussionen um das Rahmenabkommen abzuschliessen und – wenn es zu keiner Einigung kommt – aufzuzeigen, wie der bilaterale Weg gesichert werden könne.
Man hätte keinen diskriminierungsfreien Zugang mehr zum EU-Binnenmarkt. Das wäre verheerend.
Ohne einen solchen Plan B drohe der Wirtschaft Ungemach, warnt Elisabeth Schneider-Schneiter, Nationalrätin der Mittepartei und Präsidentin der Handelskammer beider Basel: «Man hätte keinen diskriminierungsfreien Zugang mehr zum EU-Binnenmarkt. Das wäre verheerend, weil über die Hälfte aller Schweizer Exporte in EU-Länder gehen.»
Autonomiesuisse: «Reinen Wein einschenken»
Die Stimmen für das Rahmenabkommen lassen nun also von sich hören. Sie übertönen derzeit die kritischen Stimmen und setzen den Bundesrat damit unter Druck.
Auch die andere Seite schweigt aber nicht: Die Organisation Autonomiesuisse, die Wirtschaftsführende vereint, erklärt: Die Schweiz solle morgen am Gipfeltreffen der EU reinen Wein einschenken und ihr mitteilen, dass das vorliegende Rahmenabkommen nicht mehr verfolgt werde.