Seine Bedenken bezüglich der bevorstehenden Verhandlungen mit der EU äusserte Vincent Ducrot in einem Interview mit der Zeitung «Le Temps». Eine Anpassung des Landverkehrsabkommens könnte zu einer stärkeren Liberalisierung des internationalen Bahnverkehrs führen, sagte Ducrot, und das sei schlecht für die SBB. Wenn mehr europäische Züge durch die Schweiz fahren würden, könnten inländische Verbindungen wegfallen; und dadurch seien sowohl der Schweizer Taktfahrplan wie auch die Schweizer Pünktlichkeit in Gefahr.
Diese Bedenken will Ducrot aber nicht mehr weiter ausführen. Er gebe ab sofort keine Interviews mehr zu diesem Thema, bis die Verhandlungen mit der EU abgeschlossen seien, teilte die Medienstelle der SBB auf Anfrage mit.
SVP-Verkehrspolitiker stützt Ducrot
Gleichwohl stehen die Äusserungen Ducrots jetzt im Raum, und sie wurden auch schon aufgenommen, zum Beispiel von Thomas Hurter, SVP-Nationalrat und Mitglied der Verkehrskommission. «Vincent Ducrot hat recht. Wenn man die Kapazitäten auf unserem Streckennetz anschaut, hat es praktisch keine Luft mehr für Züge aus Europa», sagt Hurter. Und wenn man diese Züge trotzdem zulassen wolle, gehe dies nur, wenn man den Taktfahrplan der SBB aufbrechen würde, «und ich bin nicht sicher, ob das im Interesse der Schweizer Bahnkunden ist.»
Der Schweizer Taktfahrplan hat Vorrang.
Gegenüber Radio SRF hat nun Verkehrsminister Albert Rösti erstmals auf diese Sorgen reagiert. Er könne verstehen, dass sich der Konzernchef der SBB für sein Unternehmen einsetze, sagte Rösti, andererseits habe der Bundesrat im Hinblick auf die Verhandlungen mit der EU immer deutlich gemacht, dass eine Öffnung des Trasses für ausländische Züge nur in Frage komme, wenn diese in den Schweizer Taktfahrplan integrierbar seien. «Der Schweizer Taktfahrplan hat Vorrang», sagt Rösti.
Grundsätzlich sei es aber durchaus im Interesse der Schweiz, dass die internationalen Städteverbindungen ausgebaut würden, sagt Rösti. Die Direktverbindung Zürich-München sei erst vor kurzem eingeführt worden, weiter arbeite man derzeit einer direkten Verbindung zwischen Zürich und London.
Michael Töngi, Nationalrat der Grünen, begrüsst diese Bemühungen. Er sagt, wenn im Vertrag mit der EU gewisse Voraussetzungen erfüllt seien – also dass die Schweiz die Hoheit behalte über den Taktfahrplan und über die Trassenvergabe – könnte eine Liberalisierung des Bahnverkehrs viele Vorteile bringen. Beispielsweise würden vermutlich gerade auch junge Menschen häufiger den Zug nehmen, wenn mehr günstige, internationale Städteverbindungen angeboten würden.