Wenn von Raubkunst die Rede ist, denken viele an Kunstwerke, welche die Nazis der jüdischen Bevölkerung gestohlen haben. Raubkunst gibt es aber schon viel länger. Ein beinahe beispielloser Akt fand 1897 im kleinen westafrikanischen Königreich Benin statt, das im heutigen Nigeria liegt.
Damals plünderten britische Truppen das Königreich, schleiften den Palast und hinterliessen ein wirtschaftlich, kulturell und politisch zerstörtes Land. Der Blitzkrieg ging als «Britische Strafexpedition Benin» in die Geschichtsbücher ein.
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Bild 1 von 5. Britische Truppen der Benin Strafexpedition im Jahre 1897 rücken gegen den Königspalast vor. Sie wollen den König von Benin dafür bestrafen, weil er die Briten nicht mehr frei die Bodenschätze des Landes ausbeuten lassen will. Bildquelle: courtesy Oldnaija History.
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Bild 2 von 5. Schon nach kurzer Zeit marschieren die Briten in Benin-City ein und machen den Königspalast dem Erdboden gleich. Zuvor rauben sie alle alle Kunstobjekte und stellen sie wie ihre Trophäen aus. Bildquelle: Courtesy Oldnaija History.
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Bild 3 von 5. 4000 Kunstobjekte aus Benin rauben die Briten und verkaufen sie später an Auktionen in Europa. Damit finanzieren sie ihre Strafexpedition von 1897. Bildquelle: courtesy Oldnaija History.
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Bild 4 von 5. Das Königreich von Benin ist sehr alt. Nigerianische Historiker datieren den ersten Oba (König) auf das Jahr 1440 zurück. Im Bild der letzte Oba Ovonramwen Nogbaisi. Er wurde 1897 von den Briten ins Exil vertrieben. Das Königreich Benin hörte damit auf zu existieren. Im Bild der König mit seiner Entourage und Sklaven. Bildquelle: Courtesy Oldnaija History.
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Bild 5 von 5. Der letzte Oba (König) von Benin kurz vor seiner Vertreibung ins Exil. In nigerianischen Geschichtsbüchern steht unter diesem Bild: "Selbst in diesem Moment verliess ihn das Lächeln nicht.". Bildquelle: Courtesy Oldnaija History.
Um die Kriegskosten zu decken, raubten die Briten den Königspalast komplett aus und brachten rund 4'000 Kunstgegenstände nach Europa. Auf mehreren Auktionen wurden die kostbaren Stücke in alle grossen Museen Europas verkauft, davon etwa 100 in die Schweiz.
In Europa brach ein eigentlicher «Benin Hype» aus. Fritz Sarasin, der damalige Präsident der Kommission des Museums der Kulturen in Basel schrieb 1899 im Jahresbericht: «Dieses Jahr stand bei allen ethnologischen Museen im Zeichen Benins. Die Kriegsbeute wurde auf den Markt geworfen. Wir hielten es für unsere Pflicht, Proben davon für unser Haus zu sichern.» So kam es, dass das Basler Museum der Kulturen 20 Kunstobjekte erstand.
Die Kunstwerke aus Benin lösten in Europa einen Schock aus. Nie hätte man gedacht, dass die Afrikaner zu solchen Arbeiten fähig sein würden.
Anna Schmid, die heutige Direktorin des Museums der Kulturen, sagt: «Die Kunstwerke aus Benin lösten in Europa einen Schock aus.» Einen Schock deshalb, weil sie von einer Handwerkskunst zeugten, welche die Europäer den Afrikanern nie zugetraut hätten. Ein britischer Konsul schrieb damals über Benin: «Es herrscht eine unglaubliche Barbarei hier, und es stinkt überall nach Tod.» Doch wie passte diese Berichterstattung zu den Preziosen, welche die Briten in grosser Menge nach Europa brachten?
In Schweizer Museen, von Neuenburg über Basel, Zürich bis nach St. Gallen, lagern bis heute etwa 100 Benin-Objekte, von denen ein grosser Teil bei der britischen Strafexpedition gestohlen wurde. Wie sie von Afrika nach Europa und in die Schweiz gelangten, ist meist belegt.
Aber: Wer waren die Händler in der Schweiz? Wer finanzierte die Ankäufe für die Museen? Wie kam es, dass beispielsweise ein Händler aus Laufen im Kanton Baselland einen prächtig verzierten Elefantenzahn verkaufen konnte?
Diesen Fragen wollen die Schweizer Museen in einer gemeinsamen Aktion nachgehen. «Es ist völlig offen, wohin das führt,» sagt Anna Schmid, die Direktorin des Basler Museums der Kulturen. Ob die geraubten Kunstwerke eines Tages an Nigeria zurückgegeben werden oder nicht, sei zweitrangig. «Wichtig ist, dass wir herausfinden, was genau in der Schweiz rund um diese Kunstobjekte passiert ist.»