Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) scannt und wertet den Internetverkehr von Schweizerinnen und Schweizern aus. Das zeigt eine Recherche des Onlinemagazins «Republik», die diese Woche erschienen ist. Dabei hatten Politik und Behörden vor der Abstimmung über das Nachrichtendienstgesetz 2016 behauptet, es werde keine Massenüberwachung geben.
Mit dem neuen Gesetz wollte der Bund die Terrorbekämpfung effizienter machen und die Kompetenzen des NDB ausbauen. Die Gegnerschaft warnte vor einem Schnüffelstaat. Umstritten war die sogenannte «Kabelaufklärung».
Die Republik-Journalistin Adrienne Fichter hat herausgefunden, dass die Aussagen von bürgerlichen Politikern und vom Bundesrat zur Kabelaufklärung nicht gestimmt haben. «Sie haben damals gesagt, dass die Kabelaufklärung eine zielgerichtete Methode ist, bei der man sehr genau bestimmte Personen aus dem Ausland überwachen kann», sagt sie.
De facto wird alles gesichtet und inhaltlich ausgewertet.
Gemäss der Recherche zapft der NDB Internetleitungen bei den Telekomunternehmen an und wertet Daten zu bestimmen Suchbegriffen aus. Die Daten würden im Zentrum für elektronische Operationen im bernischen Zimmerwald analysiert. «Dort schaut man, ob es brauchbare oder nützliche Erkenntnisse gibt. De facto wird alles gesichtet und inhaltlich ausgewertet», erklärt Fichter. Der Internetverkehr werde massenhaft mitgelesen.
Für viele Expertinnen und Experten kommt diese Recherche zur Kabelaufklärung nicht überraschend. Gerade Leute, die viel mit IT und Daten zu tun haben, hatten von Anfang an davor gewarnt, dass das Gesetz unrealistisch sei.
Nachrichtendienst bestreitet Vorwürfe
Allerdings ist es in der Schweiz so, dass der Nachrichtendienst von verschiedenen Stellen kontrolliert wird. Eine davon ist die unabhängige Aufsichtsbehörde über die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten – kurz AB-ND. Aus ihrer Sicht ist an den Vorwürfen der Republik nichts dran.
Der NDB schreibt auf Anfrage zur Recherche, dass er «keine flächendeckende Überwachung der Bevölkerung und keine Massenüberwachung» mache. «Der NDB hat keine Generalvollmacht, sondern verfügt über Instrumente für gezielte Eingriffe bei besonderen Bedrohungslagen.»
Neben der AB-ND haben auch andere Aufsichtsbehörden keine Probleme bei der Kabelaufklärung festgestellt. Dabei gibt es auf die Überwachung des NDB zwei Perspektiven: Einerseits die Skepsis, dass der NDB grundsätzlich Daten im Internet sammelt und auswertet. Andererseits gibt es die Ansicht, dass der NDB bestimmte Informationen im Internet finden können muss.
Anwaltsgeheimnis in Gefahr
Problematisch könnte die Überwachung für jene sein, die mit sensiblen Daten zu tun haben und auf Vertraulichkeit angewiesen sind. Ein Beispiel ist hier das Anwaltsgeheimnis. Dieses werde durch die Überwachung ausgehöhlt, sagt Martin Steiger, Rechtsanwalt und Spezialist für Recht im digitalen Raum.
Steiger begrüsst die Republik-Recherche. «Hier haben wir alles auf einen Blick, die ganze Dimension», sagt er. Der Anwalt ist auch Mitglied der Digitalen Gesellschaft. Der Verein setzt sich für eine offene, digitale Gesellschaft ein und folglich auch gegen Überwachung. Darum führt er derzeit vor dem Bundesverwaltungsgericht ein Beschwerdeverfahren gegen den Nachrichtendienst.