Er nennt sich «Herr Schmidt» und möchte 80 Millionen US-Dollar Schmiergelder in der Schweiz in Sicherheit bringen. Sein Auftraggeber ist ein Regierungsbeamter aus einem ostafrikanischen Land, der sein Vermögen mit der Vergabe von Minenlizenzen gemacht hat.
In Wahrheit ist «Herr Schmidt» ein Schauspieler – es gibt keinen Auftrag eines Regierungsbeamten und auch keine 80 Millionen. «Herr Schmidt» arbeitet im Auftrag des Schweizer Recherche-Teams «Reflekt». Er spielt einen Vermögensberater und kontaktiert 30 Anwälte und spezialisierte Berater in den Kantonen Genf, Zürich und Zug.
Die angefragten Berater werben auf ihren Webseiten mit Dienstleistungen im Bereich Asset Protection oder sind als Vermittler in den Panama/Pandora Papers aufgetaucht.
Es ist erschreckend.
Laut «Reflekt» sind 19 der angefragten Berater bereit, «Schmidt» zu treffen. Darunter sind zehn Anwälte, sechs Vermögensverwalter und drei Treuhänder. Eine versteckte Kamera filmt einige der Treffen, die meist in Hotel-Foyers stattfinden.
13 Berater zeigen sich hilfsbereit
«Das Resultat der Gespräche ist erschreckend», so Christian Zeier, Chefredaktor von «Reflekt». Obschon das fiktive Vermögen klar erkennbar aus einem mutmasslichen Verbrechen stamme, hätten nur fünf Berater die Unterhaltung ohne Ratschläge abgebrochen. Zwei Drittel, 13 Berater, hätten konkrete Möglichkeiten erläutert, wie sie dem korrupten Beamten behilflich sein könnten. Elf dieser 13 Berater hätten zudem Massnahmen skizziert, um die Herkunft des Vermögens zu verschleiern.
Am häufigsten sei die Möglichkeit erklärt worden, mit Firmenkonstrukten über verschiedene Länder hinweg die Nachverfolgung der Gelder zu erschweren. «10vor10» konnte die verdeckten Aufnahmen visionieren und die Liste der angefragten Berater einsehen.
Geldwäscherei-Experte schockiert
Wir zeigen die anonymisierten Aufnahmen der hilfsbereiten Berater Mark van Thiel, ehemaliger stellvertretender Leiter der Meldestelle für Geldwäscherei. Er ist schockiert.
Sonnenklar, dass die Gelder, die hier besprochen werden, aus einem Verbrechen stammen.
«Es wäre Pflicht dieser Berater gewesen, das Gespräch sofort abzubrechen», so der Experte. «Es ist sonnenklar, dass die Gelder, die hier besprochen werden, aus einem Verbrechen stammen.»
Wir zeigen van Thiel die Aussage eines Anwalts, der behauptet, er könne auch fehlende Dokumente beschaffen. «Das ist unglaublich», sagt van Thiel. «Da ist man im Bereich Urkundenfälschung unterwegs. Das ist schwerkriminell.»
Schweizerischer Anwaltsverband empört
Und was sagt der Schweizerische Anwaltsverband (SAV) zur Recherche von «Reflekt»? SAV-Präsident Matthias Miescher ist empört. «Ich bin sehr enttäuscht, weil es an der Reputation von 13'500 Mitglieder vom Anwaltsverband rüttelt, die ganz sicher nicht in solche Geschäfte verwickelt sind», sagt Miescher gegenüber «10vor10».
Wer dies tut, dem droht ein Berufsverbot.
Er könne nicht glauben, dass solche Geschäftsmodelle noch praktiziert würden in der Schweiz. Sie seien klar illegal. «Es verstösst gegen das Strafgesetzbuch. Es verstösst gegen Berufspflichten. Und wer dies tut, dem droht der Entzug der Berufsbewilligung.»
Neun der zehn Anwälte, mit denen sich «Herr Schmidt» getroffen hat, sind Mitglieder des Schweizerischen Anwaltsverbands. Sechs zeigten sich behilflich, drei lehnten ab.