Das Arbeitsklima am Bundesstrafgericht in Bellinzona ist schlecht – das machte ein Aufsichtsbericht des Bundesgerichts von Ende April deutlich. Das Bundesgericht hatte den Auftrag, Vorwürfe wegen Mobbing, Sexismus und anderen Punkten am Bundesstrafgericht zu prüfen.
Zwar sahen die höchsten Richter die beiden Hauptvorwürfe Mobbing und Sexismus nicht erhärtet, wie sie Ende April bekannt gaben. Doch eben: Das Arbeitsklima sei schlecht. Und das Bundesgericht empfahl den Richterinnen und Richtern in Bellinzona, die langjährige Generalsekretärin des Bundesstrafgerichtes zu entlassen.
Bundesgericht gerät unter Druck
Wegen dieser Untersuchung gerät nun das Bundesgericht in Lausanne vonseiten der Politik selbst unter Druck. Bei der Untersuchung der Vorgänge in Bellinzona seien schwere Fehler gemacht worden, so die Ansicht der Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) von National- und Ständerat. Dies geht aus einem Schreiben dieser Kommissionen ans Bundesgericht hervor. Dieses Dokument liegt der Sendung «Rundschau» sowie auch Radio SRF vor.
Nach Ansicht der GPK hat ausgerechnet die Verwaltungskommission des Bundesgerichts – also jenes Gremium, welches den Bericht verfasst hat – einen elementaren Rechtsgrundsatz missachtet: die Gewährung des rechtlichen Gehörs. Das heisst: Die angeschuldigten Richter in Bellinzona konnten sich weder wehren noch Stellung nehmen, bevor der Bericht veröffentlicht wurde.
Rechtliches Gehör verwehrt
Besonders stossend sei die Missachtung des rechtlichen Gehörs gegenüber der Generalsekretärin: Weil sie den Mobbingvorwürfen nicht genügend nachgegangen sein soll, empfahl das Bundesgericht ihre Entlassung. Sie ist seit der Veröffentlichung des Berichtes krankgeschrieben und die Bundesstrafrichter haben entschieden, das Arbeitsverhältnis mit ihr aufzulösen.
Auch den Einwand des Bundesgerichts, dass ja den Beschuldigten das rechtliche Gehör nach der Veröffentlichung gegeben würde, akzeptieren die Geschäftsprüfungskommissionen nicht.
Endlich wacht jemand auf.
«Endlich wacht jemand auf», sagt der Schweizer Strafrechtsexperte Mark Pieth zur Kritik am Bundesgericht. «Zum Glück gibt es im schweizerischen Staatswesen für die Gerichte auch noch eine Oberaufsicht, die sagen kann: ‹Jetzt reicht es!›»
Bundesgericht muss Stellung beziehen
Und es kommt noch mehr: Die GPK ruft dem Bundesgericht in deutlichen Worten in Erinnerung, wer die Oberaufsicht über die Gerichte innehat – nämlich das Parlament, welches auch für die Wahl der Richterinnen und Richter an den Bundesgerichten zuständig ist. Das Bundesgericht muss nun rasch zu den Vorwürfen der GPK Stellung nehmen.