Kaum ein anderes Staatsoberhaupt sprach in der UNO-Generaldebatte so deutlich von einer Krise, von einem Malaise im internationalen System wie Bundespräsident Alain Berset. Doch Berset betonte zugleich, man müsse unbedingt dafür sorgen, dass die UNO wieder besser funktioniere und stärker werde. Gerade für die Schweiz sei das entscheidend.
Trump mindestens mitgemeint
Zwar erwähnte Bundespräsident Alain Berset US-Präsident Donald Trump nicht namentlich. Zumindest mitgemeint war er aber in seinen Worten ganz offenkundig: «Angesichts der aktuellen Probleme suchen manche ihre Antworten in einem nationalistischen Rückzug und im wachsenden Misstrauen gegen länderübergreifende Zusammenarbeit.» Das führe zu einer Erosion jenes internationalen Systems, das auf Recht, statt auf Macht baue.
Es lasse sich nicht abstreiten, meinte der Bundespräsident so dezidiert wie ausser ihm fast nur noch der französische Präsident Emmanuel Macron: Der Multilateralismus stecke zurzeit in der Krise. Und damit die Vereinten Nationen, die diesen Multilateralismus verkörpern, also das gemeinsame Lösen grosser, grenzüberschreitender Probleme.
Malaise als Warnruf und Aufruf
Berset sieht dieses Malaise als Warnruf und zugleich als Aufruf, die UNO wieder zu stärken. Indem Regierungen wieder vermehrt auf sie setzten – und gleichzeitig, wie die Schweiz das tue, die UNO mit energischen Reformen schlagkräftiger machten. Tatsächlich stehen der Bundesrat und die Schweizer Diplomatie entschlossen hinter den Reformen, die UNO-Generalsekretär Antonio Guterres durchziehen will und bestärken ihn gar in diesem Anliegen.
Für den Schweizer Bundespräsidenten hat sich, bei aller Kritik, das multilaterale System bewährt. Es habe in den vergangenen Jahrzehnten die Welt friedlicher, gesünder, wohlhabender und gerechter gemacht.
Im Gespräch mit Journalisten nach seinem Auftritt vor den Staats- und Regierungschefs der UNO-Mitgliedsländer räumte Berset ein: Ja, US-Präsident Trump habe am Vormittag andere Rezepte vertreten als er, Berset, am Abend. Doch Trumps Rezept für die Herausforderungen, nämlich das eigene Land über alles zu stellen, hält er im Fall der Schweiz für keine kluge Reaktion – und, ergänzt er, selbst für die USA funktioniere dieses Vorgehen womöglich nicht.
Kleinere Länder stärker auf Regeln angewiesen
Tatsächlich sind kleinere Länder noch stärker auf eine auf Regeln und auf Völkerrecht basierende Ordnung angewiesen als einflussreiche, grosse Staaten, die zumindest zum Teil ihre Interessen mit Machtmitteln durchsetzen können.
Alain Berset forderte daher vor der UNO-Generalversammlung – im Interesse der Welt, aber nicht zuletzt auch im Interesse der Schweiz: Es gelte, nun alles zu unternehmen, damit rund um den Globus nicht bald jeder nur noch für sich selber schaue.