Eine Gipserin oder ein Maurer, die nur 60 Prozent arbeiten: Solche Teilzeitjobs sind im Baugewerbe rar. Doch in der Maler- und Gipserbranche haben diese Stellen im letzten Jahr deutlich zugenommen, wenn auch auf tiefem Niveau. Sie sind in der Deutschschweiz um rund 40 Prozent angestiegen – auf über 7 Prozent. Liegt diese Entwicklung an Corona? Ausnahmsweise nicht.
«Es ist sehr erfreulich, dass es so viel mehr Teilzeitstellen gegeben hat», sagt Barbara Rimml vom Verein Pro Teilzeit. Diese Entwicklung entspreche einerseits einem gesellschaftlichen Trend. «Die Nachfrage nach Teilzeitarbeit besteht auch in der Baubranche», sagt Rimml. «Es gibt immer mehr Männer, die auch als Familienväter Teilzeit arbeiten wollen.»
Zudem werden die Teilzeitstellen bei Malerinnen und Gipsern aktiv gefördert. Das Projekt, für welches Rimml verantwortlich ist, nennt sich «Teilzeitbau». Zwölf Schweizer Maler- und Gipserfirmen beteiligen sich daran.
Zu ihnen gehört die Landolt Maler AG aus Winterthur. «Wir haben in der Branche einen Fachkräftemangel», begründet Inhaber Erich Landolt sein Engagement. «Es braucht attraktive Anstellungsverhältnisse, damit die Leute bei uns bleiben.»
Gerade bei den Malerinnen zeigt sich die Abwanderung. Zwar schliessen viele Frauen eine Lehre ab. Etwa 40 Prozent der Malerlehrlinge sind weiblich. Doch fast die Hälfte von ihnen legt den Pinsel später zur Seite: im Alter zwischen 27 bis 36 Jahren.
«Es hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass viele der ausgebildeten Malerinnen den Beruf bei einer Familiengründung verlassen», sagt Barbara Rimml. «Das hatte sicher damit zu tun, dass es zu wenig Teilzeitstellen gibt.» Es seien aber nicht nur Frauen, sondern auch Männer an reduzierten Pensen interessiert.
Viele Baufirmen sind allerdings skeptisch gegenüber Teilzeitarbeit. «Es heisst, der Arbeitswechsel sei kompliziert», sagt Ernst Landolt und weist auf ein verbreitetes Vorurteil hin: «Viele meinen, es gehe nicht, dass vormittags jemand anders arbeite als nachmittags». Dabei sei dies nur eine Organisationsfrage. Seine Angestellten nutzen Checklisten für die Übergabe. Oder sie informieren einander per Whats-App über den Stand einer Baustelle.
Sind die Übergaben so einfach? «Wenn man alles gut plant, läuft es problemlos», bestätigt Sandra Kühnis. Sie arbeitet seit 2013 bei Erich Landolt. Während einer Weiterbildung letztes Jahr hat sie ihr Pensum reduziert. Dies hat sich auch auf die Arbeit ausgewirkt.
«Die Zeit verging schneller und ich hatte das Gefühl, produktiver zu sein», bilanziert Kühnis. Momentan arbeitet die Malerin Vollzeit. Im Frühling will sie ihr Pensum wieder senken. «So habe ich mehr Zeit für mich und meine Hobbys», sagt sie.
Wann sind Teilzeitstellen normal?
Sandra Kühnis geht davon aus, dass Teilzeitstellen im Malergewerbe an Akzeptanz gewinnen. Doch sind sie in zehn oder fünfzehn Jahren bereits Normalität? «Diese Stellen müssen schon früher normal sein», sagt Erich Landolt. «Teilzeit ist ein Gebot der Zeit. Sonst verlieren wir unsere guten Arbeitskräfte.»
Um die Organisation zu erleichtern, arbeitet Landolt gemeinsam mit anderen Firmen fürs Projekt «Teilzeitbau» Merkblätter aus: Arbeitsverträge oder Checklisten. Bis Ende Jahr sollen auch andere Unternehmen darauf zugreifen können.