Worum geht es? Die Luzerner Schlichtungsbehörde, die sich mit Mietfragen beschäftigt, hatte im vergangenen Halbjahr dreimal so viele Fälle zu bearbeiten wie davor. Das sagte Barbara Pfister, die Präsidentin der Behörde, anlässlich einer Medienkonferenz. «Viele sind nicht einverstanden, wenn ihr Mietzins ansteigt. Es ist ein heisses Thema», so Pfister. Im zweiten Halbjahr 2023 seien gut 1400 Gesuche und Mietzinsanfechtungen eingegangen, im ersten Halbjahr waren es noch rund 400.
Weshalb die hohen Fallzahlen? Die allermeisten Mietzinsanfechtungen gehen laut Pfister darauf zurück, dass der Bund den Referenzzinssatz im vergangenen Jahr zweimal erhöht hatte. Im Juni 2023 kletterte dieser von 1.25 Prozent auf 1.5 und sechs Monate später bereits weiter auf 1.75 Prozent. Vermieterinnen dürfen dies jeweils an ihre Mieter weitergeben.
Da der Gang vor die Schlichtungsbehörde gratis ist, ist die Hemmschwelle für eine Anfechtung tief. «Wir haben schon den Eindruck, dass sehr schnell angefochten wird», sagt Pister. Es sei ja aber auch das gute Recht der Mieterinnen und Mieter.
Wie sieht es in der restlichen Schweiz aus? Die Fallzahlen steigen bei den Schlichtungsbehörden im ganzen Land. Aktuellste Zahlen des Bundes sind zwar nur bis Mitte 2023 erfasst, doch auch diese zeigen bereits nach oben. Besonders stark beschäftigt ist die Schlichtungsbehörde des Bezirks Zürich, zu dem auch die Stadt Zürich gehört. Im Jahr 2023 gingen über 5000 Fälle ein, wie die Behörde auf Anfrage schreibt. In den beiden Vorjahren seien es jeweils gut 1700 gewesen.
Wie gehen die Behörden damit um? In Luzern hat die Schlichtungsstelle ihre Verhandlungsdichte erhöht. Statt an vier Halbtagen würden nun an sieben Halbtagen Verhandlungen durchgeführt, so Präsidentin Barbara Pfister. «Ausserdem haben wir die Prozesse gestrafft und zusätzlich befristet Personal angestellt.» Der Pendenzenberg sei trotz dieser Massnahmen weiterhin sehr hoch. «Die Parteien müssen aktuell vier bis sechs Monate auf ihre Verhandlung warten.»
Wie oft sind Mietzinsanfechtungen gerechtfertigt? Dazu kann Barbara Pfister keine genauen Angaben machen. Tatsächlich verrechneten die Vermieter aber oft zu viel. «Es handelt sich dabei aber meist um kleinere Beträge von zwei bis drei Franken», sagt Pfister. Ähnliche Erfahrungen macht der Schweizerische Mieterinnen und Mieterverband, in dessen Sektionen im vergangenen Halbjahr viele Beratungsgespräche geführt wurden.
Michael Töngi, Nationalrat und Vizepräsident des Verbands, warnt besonders vor Pauschalen, die bei Mietzinserhöhungen dazukommen können. «Teils werden Kosten im Bereich Unterhalt und Verwaltung über eine Pauschale abgewickelt.» Dieses Vorgehen sei ganz grundsätzlich umstritten. Pauschalen seien nicht überall in der Schweiz erlaubt und oft auch zu hoch angesetzt.
Wann sollte der Mietzins angefochten werden? Michael Töngi vom Mieterverband rät dazu, jede Mietzinserhöhung genau zu prüfen. «Es können verschiedene Fehler vorkommen. Nebst zu hohen Pauschalen ist teilweise auch die Teuerung falsch berechnet.» Töngi verweist auf ein Tool des Mieterinnenverbands, mit dem sich Mietzinsveränderungen berechnen lassen. Würden dessen Ergebnisse deutlich vom neuen Vertrag abweichen, lohne sich der Gang vor die Schlichtungsstelle. «Wenn der neue Mietzins nicht innerhalb von 30 Tagen angefochten wird, gilt er für immer.»