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Der Kanton Zürich hat die Bedingungen der U-Haft deutlich verbessert
Aus Regionaljournal Zürich Schaffhausen vom 08.11.2022. Bild: Keystone / Ennio Leanza
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Reform der U-Haft-Bedingungen So hat sich die Zürcher Untersuchungshaft verbessert

Seit 2017 laufen im Kanton Zürich Reformen für die Verbesserung der U-Haft-Bedingungen. Nun zieht der Kanton Bilanz.

Wer in Untersuchungshaft sitzt, ist (noch) nicht verurteilt – folglich gilt für diese Person die Unschuldsvermutung. Trotzdem galt in den Zürcher Untersuchungsgefängnissen lange ein sehr strenges Regime: Die Zellen waren 23 Stunden am Tag geschlossen, duschen durften die Häftlinge nur selten. Dafür gab es immer wieder Kritik an die Adresse der Zürcher Justizdirektion.

Prominenter Fall im Gefängnis Pfäffikon

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Das Gefängnis Pfäffikon wurde in den letzten vier Jahren komplett reorganisiert. Zuvor war es unter anderem in die Schlagzeilen geraten, weil der wohl bekannteste Gefängnisinsasse der Schweiz, Brian, früher bekannt als «Carlos», die Strukturen an die Grenzen gebracht hatte.

Auch Justizdirektorin Jacqueline Fehr nahm am Montag Bezug auf den bekannten Häftling. Sie sprach vom «Elefanten im Raum», gerade in Zusammenhang mit der Untersuchungshaft. Der Fall sei sehr herausfordernd, habe das Amt für Justizvollzug und Wiedereingliederung aber auch weitergebracht.

Im Zuge dessen wurden die Bedingungen in den letzten Jahren gelockert, angeregt 2015 durch einen Auftrag der Regierungsrätin Jacqueline Fehr. Am Montag nun stellten die Verantwortlichen im Untersuchungsgefängnis Pfäffikon nun die Reformergebnisse vor.

Das harte Regime ist Geschichte

Der Kanton Zürich hat sich in den letzten Jahren von seinem harten Regime bei der Untersuchungshaft verabschiedet. Die Zellentüren sind tagsüber geöffnet und die Untersuchungshäftlinge dürfen sich jeden Tag bis zu acht Stunden ausserhalb der Zelle bewegen.

Musikraum im Untersuchungsgefängnis Pfäffikon.
Legende: Tagsüber können die Häftlinge im Untersuchungsgefängnis Pfäffikon ihrem Hobby frönen, beispielsweise dem Musizieren. Keystone / Ennio Leanza

So können die Insassen ihre Zeit hinter Gittern kreativ nutzen, sich weiterbilden oder soziale Kontakte pflegen. Besuche sind neu auch an Wochenenden oder am Abend erlaubt. Und wenn die eigenen Kinder zu Besuch ins Untersuchungsgefängnis kommen, kann die Zeit gemeinsam in Besuchszimmern verbracht werden.

Fitnessraum im Untersuchungsgefängnis Pfäffikon.
Legende: Auch körperlich kann man sich betätigen: Hierfür steht ein eigener Fitnessraum zur Verfügung. Keystone / Ennio Leanza

Neu sind auch die Arbeitsmöglichkeiten in einem Werkzimmer. Hier dürfen Inhaftierte auch rauchen – im Gegensatz zu den Zellen. Die Zigaretten hierfür – wie auch andere Snacks – können einmal pro Woche am gefängniseigenen Kiosk gekauft werden.

Kiosk im Untersuchungsgefängnis Pfäffikon.
Legende: Einmal pro Woche darf jeder Insasse gegen Bezahlung aus eigener Tasche Zigaretten im Kiosk kaufen. Keystone / Ennio Leanza

Für die Justizdirektorin Jacqueline Fehr hat der Kanton Zürich in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht: Zum einen könne der Zweck der Strafuntersuchung sichergestellt werden, andererseits könnten die Ressourcen der Inhaftierten geschont und gestärkt werden. Auf diese Weise könne bereits von Beginn weg auf die Wiedereingliederung hingearbeitet werden, so Fehr gegenüber SRF.

Jedoch bleibe ein grosses Thema im Justizvollzug: die Individualisierung. Man wolle sich in den nächsten Jahren noch stärker auf die einzelnen Inhaftierten ausrichten, auf ihre Ressourcen, ihre Geschichten, ihre Zukunft. Damit wolle man die Wiedereingliederung noch besser unterstützen. Zudem seien in einem Untersuchungsgefängnis naturgemäss viele verschiedene Menschen mit unterschiedlichen, mutmasslichen Delikten inhaftiert.

Der Gefängnishof.
Legende: Ebenfalls beliebt zum Verweilen ist der vergitterte Hof: Auch hier stehen Geräte für die körperliche Betätigung bereit. Keystone / Ennio Leanza

«Die Stimmung ist besser»

Seit den angewandten Reformen sei die Stimmung unter den Insassen tatsächlich besser, sagt Roland Zurkirchen, Direktor der Zürcher Untersuchungsgefängnisse. Und auch Strafverteidiger Gregor Münch, der die Untersuchungshaft im Kanton Zürich lange kritisiert hat, anerkennt: Mit diesem neuen Vollzug habe sich vieles verbessert. «Man ist jetzt in einem Stadium, in dem ein solcher Freiheitsentzug wieder menschenwürdiger ist», sagt Münch.

Essraum für die Insassen.
Legende: Die Inhaftierten im U-Haft-Gefängnis Pfäffikon können auch gemeinsam essen. Keystone / Ennio Leanza

Jedoch gebe es noch einiges zu verbessern, denn auch mit diesen Verbesserungen habe die U-Haft noch einen Strafcharakter, obwohl die betroffenen Personen noch nicht verurteilt seien. Auch der Kanton Zürich sieht weiterhin Handlungsbedarf, etwa bei der Infrastruktur in anderen Gefängnissen als in Pfäffikon. So stehe in den nächsten Jahren beispielsweise die Inbetriebnahme des Neubaus des Gefängnisses Winterthur oder der Ersatzneubau des Gefängnisses Zürich an.

Die U-Haft im Kanton Zürich

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Ordnet ein Gericht Untersuchungshaft an, dann wird diese in einem der sechs Untersuchungsgefängnisse im Kanton Zürich vollzogen.

Alle sechs Zürcher Untersuchungsgefängnisse vollziehen die Standard-U-Haft. Daneben hat jedes Untersuchungsgefängnis seine Spezialisierung: So nimmt eines beispielsweise nur Frauen auf, ein anderes betreibt eine Kriseninterventionsabteilung für inhaftierte Personen in Krisensituationen.

Aktuell stehen über 500 Plätze für Untersuchungshäftlinge zur Verfügung. 50 Prozent der Inhaftierten verlassen das Gefängnis nach weniger als 30 Tagen. Nur sieben Prozent bleiben länger als ein halbes Jahr in Untersuchungshaft.

Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 08.11.2022, 06:31 Uhr ; 

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