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Rekordbusse gegen Swisscom Der Bund kassiert – Die Geprellten gehen leer aus

Die Liberalisierung in der Schweizer Telecom-Branche ist eine Zangengeburt ohne absehbares Ende. Offiziell startete der Vorgang 1998 – seit dann trägt die Swisscom auch den Übernamen Ex-Monopolist. Marktmächtig ist sie nach wie vor auf vielen Feldern. Mehr noch: Sie hat ihre immense Dominanz gar auf neue Felder ausgedehnt. Stichwort: Fernsehen. In dieser Disziplin hat die Swisscom in unglaublichem Tempo eine Marktführerschaft erreicht und UPC – vormals Cablecom, vormals Rediffusion – überflügelt.

Seit gestern Abend ist klar: Die Swisscom hat im Bereich der schnellen Internet-Anschlüsse die Konkurrenz mit widerrechtlichen Mitteln zurückgebunden. Dafür erhält sie einen Busszettel über 186 Mio. Fr. ausgestellt. Das Verfahren dauerte durch alle Instanzen hindurch geschlagene zwölf Jahre.

Im Kern ging es darum, dass Swisscom die schnellen ADSL-Internetverbindungen über Kupferkabel der Konkurrenz zum Wiederverkauf anbot – zu vergleichsweise hohen Preisen. Und gleichzeitig mit eigenen Angeboten die Endkunden direkt belieferte – zu aggressiv tiefen Preisen.

Als sich Sunrise 2006 deswegen an die Weko wandte, begann das Verfahren, das sich bis jetzt hinzog. Unter Druck der Weko-Untersuchung, begann die Swisscom die Preise für die Wiederverkäufer anzupassen. So gesehen ist das Urteil des Bundesgerichtes so etwas wie Vergangenheitsbewältigung.

Dennoch haben Kunden über Jahre zu viel für die Internetanschlüsse bezahlt, weil der Wettbewerb nicht richtig spielte. Und dies hat mit der Architektur der ganzen Liberalisierung zu tun. Sie erfolgte nach dem ex-post-Prinzip. Tönt kryptisch, ist aber einfach zu erklären: Erst wenn jemand klagt, wird allenfalls korrigiert. Das Gegenstück wäre ex ante – und bedeutet, dass zuvor der genaue Rahmen festgelegt wird, wie und mit welchen Preisen der Ex-Monopolist am Markt auftreten darf.

Lange Dauer bis zu Urteil

Die Schweiz hat sich für den ersten Weg entschieden. Und schon bald zeigte sich, wo die Krux liegt: Fühlt sich ein Swisscom-Konkurrent benachteiligt, kann er zwar klagen, bis ein endgültiges Urteil steht, dauert es aber lange, sehr lange. Fast schon überflüssig zu erwähnen, dass die Swisscom zeitlich eher motiviert war, die Verfahren zu verschleppen.

Das Parlament hat sich mehrfach mit einem möglichen Umschwenken von ex post auf ex ante auseinandergesetzt. Doch die Revision des dafür massgebenden Fernmeldegesetzes blieb an diesem Punkt unverändert. Das kann getrost mit dem mächtigen Swisscom-Lobbying erklärt werden.

Kurzum: Die Konsumenten wissen jetzt zwar schwarz auf weiss, dass sie jahrelang zu viel für ihre Internetanschlüsse bezahlt haben. Und die Busse über 186 Mio. Fr. ist die höchste, die von der Weko je verhängt wurde und von höchster Instanz als rechtskräftig beurteilt wurde. Die Swisscom hat bereits bezahlt, die Busse kann nach dem Bundesgerichtsurteil nun definitiv in der Kasse des Bundes eingebucht werden.

Empören dürfen sich die Kunden nun darüber, dass der Bund nach wie vor die Mehrheit an der Swisscom besitzt. Verkürzt könnte man sogar behaupten, dass der Bund via Swisscom den Kunden zu viel Geld aus der Tasche gezogen hat, das jetzt via Busse wiederum beim Bund landet. Eigentlich müssten die 186 Mio. Fr. an die geschädigten Kunden zurückverteilt werden.

Matthias Pfander

Co-Leiter Wirtschaftsredaktion

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Matthias Pfander ist seit über 20 Jahren im Wirtschaftsjournalismus tätig, seit Mitte 2017 als Reporter und Planer für die Wirtschaftsredaktion von SRF TV. Zuvor arbeitete er unter anderem für den «Tages-Anzeiger» und die «Blick»-Gruppe.

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