«Was passiert nach dem Tod?», «Was sagst du zu den Missbrauchsfällen in der Kirche?» oder «Werde ich jemals wahre Liebe finden?».
Der KI-Jesus habe Fragen zu Spiritualität, Liebe, Tod oder Krieg beantwortet, sagt Marco Schmid, Theologe bei der Peterskapelle in Luzern. Zwei Monate lang war die künstliche Intelligenz KI in Form von Jesus in der Kapelle gleich neben der Kapellbrücke für alle Interessierten zugänglich. Zwischen August und Oktober wurden 900 Gespräche geführt.
Die meisten Besuchenden waren über 40 Jahre alt und katholisch. «Aber auch einige Jüngere haben den KI-Jesus aufgesucht», betont Schmid. Und auch Musliminnen, Buddhisten und Menschen aus weiteren Glaubensrichtungen seien vorbeigekommen.
Auch Atheistinnen und Atheisten hätten das Gespräch mit dem KI-Jesus gesucht und dieses oft als spirituell anregend empfunden, sagt Schmid mit einem Schmunzeln.
Viele Skeptiker waren überrascht, wie gut der künstliche Jesus ihre Fragen beantworten konnte.
Die katholische Kirche der Stadt Luzern hat das Projekt zusammen mit der Hochschule Luzern durchgeführt. «Ein solches Projekt sorgt in der katholischen Kirche natürlich auch für kritische Stimmen», sagt Schmid. Gerade bei älteren Gläubigen sei Skepsis spürbar gewesen, ob künstliche Intelligenz und Glaube zusammenpassen.
Allerdings habe man in der Testphase bewusst strenggläubige Menschen angefragt. Viele seien überrascht gewesen, wie gut der künstliche Jesus ihre Fragen beantworten konnte. Schmid rät: «Bevor das Projekt kritisiert wird, sollte man es selbst ausprobieren.»
«AI-Jesus in Lucerne's Peters Chapel», stand im britischen «Guardian». Auch der US-Sender «ABC News», das indische Wochenmagazin «India Today» oder die Nachrichtenagentur «AP» haben über das Projekt berichtet.
Die Kombination aus modernder Technologie und jahrtausendealter Spiritualität habe weltweit Diskussionen über Glauben, Ethik und Grenzen der künstlichen Intelligenz ausgelöst, sagt Marco Schmid. Sogar der KI-Verantwortliche des Vatikans sei neugierig geworden. Er habe sich erkundigt, wie das Projekt laufe.
Der KI-Jesus sollte nie die Beichte abnehmen.
Das grosse Interesse sei zwar erfreulich, meint Schmid. Allerdings seien auch Fehlinformationen verbreitet worden. «Diverse Medien haben berichtet, dass der KI-Jesus auch die Beichte abnimmt. Das stimmt nicht und war nie unsere Absicht. Auch die Auswertung der Gespräche hat ergeben, dass die Besucher dem KI-Jesus nicht ihre Sünden erzählen, sondern ihn ausfragen wollen.»
KI und Kirche: Eine Idee mit Zukunft?
Die Kirche müsse sich nun Gedanken machen, wie künstliche Intelligenz künftig eingesetzt werden soll, sagt Schmid. «Soll die KI lediglich im Hintergrund als Ideengeber fungieren, oder soll sie im Kontakt mit Menschen zum Einsatz kommen? Gerade hier in Luzern in der Peterskapelle, wo die ganze Welt zusammenkommt, war die Fähigkeit der KI in über hundert Sprachen zu reden, sehr hilfreich.» Von den 900 Gesprächen seien 200 auf Englisch geführt worden. Es habe auch Gespräche auf Französisch, Chinesisch, Vietnamesisch oder Polnisch gegeben.
Auch könne KI hilfreich sein in der Kommunikation mit Menschen mit besonderen Bedürfnissen, sagt Schmid weiter. Eine Person mit Autismus habe gemeldet, dass sie aufgrund ihrer Krankheit Mühe habe, in einen Dialog mit anderen Menschen zu treten. Einer Maschine wie dem KI-Jesus hingegen könne sie sich problemlos öffnen. Kann die KI also in der modernen Seelsorge ein neues Hilfsmittel werden? «Eine Überlegung wert», findet Theologe Marco Schmid.