Über 20 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Kreuzlingen sind muslimisch. Diese wolle man abholen, sagt Imam und Religionslehrer Rehan Neziri, und zwar unabhängig ihrer Herkunft. Neziri ist seit über 20 Jahren Imam der albanischen Moschee in Kreuzlingen.
Seit knapp 14 Jahren gibt er islamischen Religionsunterricht an Kreuzlinger Schulen. «Wir sind da muslimisch, egal welche Nationalität. Wir sind aber auch Kreuzlinger, also Schweizer. All diese Elemente, diese Facetten von Identität, werden hier bekräftigt.»
Weil es in der Schweiz bis jetzt noch keinen Lehrplan für den islamischen Religionsunterricht gab, orientierte sich Rehan Neziri an einem Lehrplan aus Deutschland. Ohne Lehrplan zu unterrichten, wäre für ihn nicht infrage gekommen. «Man weiss dann genau, was hier unterrichtet wird, mit welchen Methoden gearbeitet wird, ob sie aktuell pädagogisch angemessen sind oder nicht.»
Thurgau entwickelt eigenen Lehrplan
Und das sind diese deutschen Lehrpläne nicht mehr. Der Interreligiöse Arbeitskreis im Thurgau, dem auch Neziri angehört, hat sich deshalb des Themas angenommen. Sie haben einen Lehrplan für den islamischen Religionsunterricht erarbeitet.
Daniel Ritter von der Fachstelle Religionspädagogik der Katholischen Kirche Thurgau hat den Lehrplan mitentwickelt. Der neue Lehrplan für den islamischen Religionsunterricht basiert auf einem Lehrplan aus Baden-Württemberg und ist an den Lehrplan 21 und den Lehrplan der Volksschule Thurgau angepasst.
«Es wäre schwierig, wenn der Lehrplan für islamischen Religionsunterricht eine andere Grundideologie hätte als der Lehrplan der Landeskirche und der Lehrplan der Volksschule Thurgau. Und das ist ein Teil des Auftrags: sicherzustellen, dass die Lehrpläne aufeinander anschlussfähig sind», sagt Ritter.
Das Projekt Lehrplan für Islamischen Religionsunterricht im Thurgau erhält finanzielle Unterstützung vom Bund, konkret vom Fedpol. Im Rahmen des Nationalen Aktionsplans gegen Radikalisierung und Extremismus vergibt das Fedpol Fördergelder.
Mit Religionsunterricht Extremismus vorbeugen
Das Thurgauer Lehrplanprojekt hat sich um die Fördergelder beworben, weil islamischer Religionsunterricht Extremismus vorbeugen kann. Das hat letztes Jahr eine Studie der Universitäten Luzern und Freiburg gezeigt. Der neue Thurgauer Lehrplan für Islamischen Religionsunterricht sei eine Basis, ein Grundgerüst, sagt Daniel Ritter. In den nächsten Monaten würden ihn die Religionslehrpersonen kennenlernen und ab nächstem Sommer auch anwenden.
«Religion an dem Ort, wo sie gelebt wird, muss sich auch inkulturieren. Und dort müssen wir als Gesellschaft das Interesse daran haben, dass der Islam, der hier gelebt wird, eine Art europäischer Islam ist. Der mit unseren Werten arbeitet und sich mit dieser Realität auseinandersetzen kann», sagt Ritter.
Im Thurgau gibt es erst eine Handvoll Orte, wo der islamische Religionsunterricht an Volksschulen angeboten wird. Der Interreligiöse Arbeitskreis im Kanton Thurgau formuliert als Ziel, dass es mindestens an allen Schulen mit mehr als 20 Prozent muslimischen Kindern islamischen Religionsunterricht geben soll.