Worum geht es? Reporter ohne Grenzen (RSF) veröffentlicht jedes Jahr ihr Urteil zu der Pressefreiheit in den einzelnen Ländern. Heuer rutscht die Schweiz auf Rang 14 ab. Sie fällt damit nach sechs Jahren aus den Top Ten der Liste mit insgesamt 180 Ländern. Im Vorjahr lag sie noch auf Platz zehn.
Worauf ist die Einbusse zurückzuführen? Zwei Gründe spielen mit. So hat RSF die Messmethode leicht verändert. Der Faktor, der unter anderem die Medienvielfalt misst, wird stärker gewichtet. Die Vielfalt hat in der Schweiz – bedingt durch Zusammenlegungen und Abbau von grossen Redaktionen – in den vergangenen Jahren gelitten. Zum anderen gibt es in der Schweiz auch auf gesetzlicher Ebene einige Entwicklungen, die aus Sicht der Pressefreiheit zu denken geben.
Wo bestehen laut RSF gesetzliche Lücken in der Schweiz? Laut SRF-Medienredaktor Salvador Atasoy gibt es zwei grössere Baustellen in Schweizer Gesetzen. Das betreffe zum einen die Revision der Zivilprozessordnung, die derzeit im Parlament hängig ist. «Vereinfacht gesagt geht es darum, die Hürde für vorsorgliche Massnahmen gegen eine mögliche unliebsame Berichterstattung zu senken. Man könnte eine Medienberichterstattung juristisch schneller als heute ausbremsen», erklärt Atasoy. Zum anderen handele es sich um die kürzliche Geschichte mit Suisse Secrets und das Schweizer Bankengesetz.
Wie gravierend ist die Kritik an der Schweiz? Reporter ohne Grenzen schreibt, man solle den Faktoren nicht zu viel Gewicht geben. Die Schweiz stehe im internationalen Vergleich gut da. «Wir können frei arbeiten, ohne Druck von entsprechenden Stellen. Und niemand muss aufgrund seiner Berichterstattung um sein Leben fürchten», erklärt der SRF-Medienredaktor . «Aber das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir derzeit auf gesetzlicher Ebene mehrere Baustellen haben – in einem Ausmass, wie wir sie schon länger nicht mehr hatten.»
Inwiefern hat die Pandemie die Pressefreiheit beeinflusst? Die Coronakrise habe das gesellschaftliche Klima verändert, sagt Atasoy. So haben beispielsweise Bedrohungen gegen Behörden und Politikerinnen während der Pandemie zugenommen. Dieser Bedrohung sehen sich auch Medienschaffende ausgesetzt. Shitstorms und Drohungen seien heute heftiger, so Atasoy. Zu nennen wären da etwa die Übergriffe auf Journalistinnen und Journalisten auf den Anti-Coronamassnahmen-Demos.
Warum hat die Pressefreiheit weltweit gelitten? Der Medienredaktor nennt drei Gründe. Der Krieg in der Ukraine ist der erste. «Es ist zu einer extremen Polarisierung gekommen. Die Berichterstattung über und in Russland wurde noch schwieriger bis unmöglich.» Weiter habe die Pandemie Menschen weltweit der Existenz beraubt. Der Frust sei an gewissen Orten riesig. «Dieser entlädt sich an exponierten Personen, darunter auch an Medienschaffenden.» Der dritte Grund ist laut Atasoy der weltweite Angriff libertärer Kräfte auf Qualitätsmedien. Beispielsweise in den USA oder in Grossbritannien, wo die BBC extrem unter Druck stehe. Auch die Schweiz sei betroffen: «Die SRG und damit auch SRF stehen stark unter Beobachtung, etwa mit der anstehenden Halbierungs-Initiative.»