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Revision des Sexualstrafrechts Ständerat missachtet Meinung vieler Frauen-Organisationen

Ein Mann zwingt eine Frau zu Sex. Um sie gefügig zu machen, wendet er Gewalt an. Von diesem Fall geht das heutige Strafrecht aus, wenn es um Vergewaltigung geht. Wenn eine Frau lediglich «Nein» sagt, ohne sich körperlich zu wehren, reicht das nicht für eine Verurteilung.

Das Sexualstrafrecht wurde das letzte Mal vor dreissig Jahren revidiert. Sex gegen den Willen der Frau wurde damals als Kavaliersdelikt angesehen. Die Revision des Sexualstrafrechts ist überfällig. Darin war sich der Ständerat einig. Über das Wie gingen die Meinung aber auseinander.

Auf jeden Fall eine Verbesserung

Der Ständerat hat heute zwei wesentlichen Verbesserungen zugestimmt:

  • Der Straftatbestand des sexuellen Übergriffs wird geschlechtsunabhängig werden. Bis jetzt war im Gesetz nur die Frau als Opfer erwähnt.
  • Wenn das Opfer künftig Nein sagt, sich der Täter aber über dieses Nein hinwegsetzt, gilt das als Vergewaltigung. Auch wenn vom Täter keine Gewalt angewendet wird.

Frauenorganisationen nicht einverstanden

Eine Minderheit im Ständerat war mit der sogenannten «Nein-heisst-Nein»-Regelung nicht einverstanden. Sie plädierte – und mit ihnen Amnesty International und diverse Frauenorganisationen – für die «Nur-Ja-heisst-Ja»-Regelung.

Sie argumentieren, die Anforderungen seien zu hoch, weil ein Opfer nicht immer nein sagen könne. Denn Opfer fallen manchmal in eine Schockstarre, eine physiologische Reaktion auf eine akute Bedrohung: Das Opfer kann weder Nein noch Ja sagen, sondern verharrt in einer starren Position.  

Der Ständerat kritisierte bei der «Nur-Ja-ist-Ja-Lösung», dass diese zu neuen Problemen führen würde. Aus einer explizit geäusserten Zustimmung könne im Verlauf des Kontakts auch eine nicht mehr geäusserte Ablehnung werden. Ausserdem könne der Beweis einer Zustimmung praktisch nicht erbracht werden. Hingegen sei ein Nein klar. Es sei praxisnaher und transparenter.

Nationalrat könnte anders stimmen 

Gut möglich, dass sich der Nationalrat anders entscheidet und die «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung bevorzugt. Der Nationalrat ist in gesellschaftlichen Fragen progressiver unterwegs als der Ständerat. Der Nationalrat ist nicht nur jünger und weiblicher. Wenn die FDP- und Mitte-Frauen geschlossen mit der Linken und der GLP stimmen, würde die «Nur-Ja-heisst-Ja»-Variante mit 110 zu 90 Stimmen durchkommen.

Doch egal, wie sich das Parlament letztlich entscheidet, das Grundproblem bleibt: Einer Vergewaltigung wohnen in den meisten Fällen keine Zeugen bei. Es bleibt Aussage gegen Aussage. Und wenn einem Täter die Schuld nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann, erfolgt ein Freispruch.

Für die Frauenorganisationen wäre die «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung trotzdem ein Erfolg. Laut ihnen ist es für die Opfer ein massgeblicher Unterschied, ob es zum Freispruch kommt, weil sie sich angeblich zu wenig gewehrt haben oder weil es Aussage gegen Aussage ist und in einem Rechtsstaat das Prinzip in dubio pro reo gilt. Einen solchen Freispruch könnten Opfer besser akzeptieren.

Zudem wäre bei der «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung die Botschaft eine andere: Eine Frau soll nicht gezwungen sein, sich zu verteidigen, sondern sie muss einer sexuellen Handlung zustimmen.

(Der Ständerat hat noch keine Schlussabstimmung zur Vorlage gemacht.)

Christa Gall

Bundeshausredaktorin

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Christa Gall ist seit 2012 Redaktorin bei SRF, seit 2018 für die TV-Bundeshausredaktion. Bevor sie zu SRF wechselte, schrieb sie für diverse Zeitungen und Zeitschriften.

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