Es ist zum Ritual geworden: Immer nachdem der Bundesrat in Bern über das weitere Vorgehen beim Rahmenabkommen informiert hat, verschickt die EU-Kommission in Brüssel eine kurze schriftliche Mitteilung.
Diesmal kam die Mitteilung besonders rasch, war besonders kurz – und ungewöhnlich positiv. Als eine «insgesamt positive Entwicklung» bewertete die Kommission den heutigen Ja-aber-Auftritt des Bundesrats.
Brüssel signalisiert Gesprächsbereitschaft
Die Kommission ist bereit, mit der Landesregierung Gespräche zu führen, um in drei besonders umstrittenen Punkten für Klärung zu sorgen. Nach den Recherchen von SRF ist die EU-Kommission zuversichtlich, bei zwei dieser drei Punkte eine Einigung herbeiführen zu können.
Zunächst geht es um die Frage, inwieweit das Rahmenabkommen staatliche Subventionen – etwa der Wasserkraft – verunmöglichen würde. Diesbezüglich glaubt man Schweizer Bedenken ausräumen zu können.
Auch bei der Unionsbürgerrichtlinie scheint eine Klärung aus Brüsseler Sicht kein Ding der Unmöglichkeit. Dabei geht es um die Frage, welche zusätzlichen Rechte – etwa Aufenthaltsrechte – EU-Bürger in der Schweiz mit dem Rahmenabkommen bekommen würden.
Diskrete Vorarbeit wurde bereits geleistet. So traf sich etwa, von der Öffentlichkeit unbemerkt, der Schweizer Bundeskanzler Walter Thurnherr diese Woche in Brüssel mit Martin Selmayr, dem mächtigen Generalsekretär der EU-Kommission. Das bestätigte Bundesratssprecher André Simonazzi gegenüber SRF.
Zankapfel Börsenanerkennung
Schon nächste Woche könnten offizielle Gespräche zu den beiden offenen Punkten stattfinden. Zumal die EU-Kommission bereits am 17. Juni entscheiden will, wie es mit der Anerkennung der Schweizer Börse weitergehen soll.
Anders als etwa den USA oder Hongkong hat die EU der Schweiz keine unbefristete Börsenanerkennung gewährt. Sie verwendet die Börsenanerkennung unverhohlen als Druckmittel im Gezerre um das Rahmenabkommen. Ohne baldigen Verlängerungsbeschluss verliert die Schweizer Börse am 30. Juni die Anerkennung durch die 28 EU-Staaten.
Möglich ist, dass die EU-Kommission die Anerkennung abermals befristet verlängert, vermutlich bis Ende Oktober. Dann endet voraussichtlich die Amtszeit der jetzigen EU-Kommission von Präsident Jean-Claude Juncker.
Lohnschutz bleibt Stolperstein
Und Juncker hofft, dass bis dann auch der dritte und schwierigste Punkt geklärt werden kann – der Lohnschutz. Genauer gesagt: die Meinungsverschiedenheiten zwischen Bern und Brüssel bezüglich der Kontrolle ausländischer Arbeitnehmer, die von einer Firma aus der EU zum Beispiel auf einer Schweizer Baustelle eingesetzt werden. Aus Sicht der EU benachteiligt die Schweiz mit diesen Kontrollen die ausländischen Firmen gegenüber der inländischen Konkurrenz.
Trotz der «insgesamt positiven Entwicklung»: Auf dem Weg zu einem Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU verbleibt also mindestens ein grosser Stolperstein. Ob Jean-Claude Juncker mit der Besiegelung des Rahmenabkommens einen allerletzten Erfolg als Kommissionspräsident vermelden kann, steht weiter in den Sternen.