Einige Psychologinnen und Psychiater an renommierten Schweizer Kliniken glauben an die Theorie von ritueller Gewalt und Gedankenprogrammierung. Der Grund für psychische Krankheiten ihrer Patientinnen ist für sie klar: Die Gedanken werden bewusst gesteuert und programmiert. Dies zeigen Recherchen des «Regionaljournal Bern Freiburg Wallis» und von «rec.».
Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Welche Massnahmen fordern Fachpersonen? Thomas Ihde, Präsident der Stiftung Pro Mente Sana, kritisiert, dass Geschichten um rituellen Missbrauch zwischen Therapeut und Patientin konstruiert würden. Es fehle die Distanz. «Es gibt Patientinnen, die sagen, dass in der Behandlung etwas passiert sei, das sie im Genesungsprozess enorm zurückgeworfen habe.»
Es braucht eine Anlaufstelle, wo sich Betroffene niederschwellig melden können und Unterstützung erhalten.
Patientinnen bräuchten viele Jahre, um aus diesen Geschichten um rituellen Missbrauch und Gedankenprogrammierung herauszukommen. Der Chefarzt Psychiatrie der Spitäler fmi Berner Oberland fordert deshalb, dass nun eine unabhängige Ombudsstelle eingerichtet werden soll. «Es braucht eine Anlaufstelle, wo sich Betroffene niederschwellig melden können und Unterstützung erhalten.»
Welche Kliniken sind betroffen? Wie die Recherchen zeigen, dient die Erzählung offenbar in renommierten Schweizer Kliniken als Hintergrund für gewisse Therapien. Dies etwa im Psychiatriezentrum Münsingen (PZM), in der Traumatherapie-Station der Klinik Clienta Littenheid (TG) oder in der Privatklinik Meiringen. Letztere hat bereits Massnahmen ergriffen.
An was glauben die Therapeuten? Dort sind manche Therapeuten überzeugt, dass Frauen als Kind sexuell schwer missbraucht wurden, was ihre Persönlichkeit gespalten habe. Die Täter könnten die verschiedenen Persönlichkeiten der Opfer durch Programmierung fernsteuern. Dank dieser Kontrolle könnten sie die Frauen etwa als Sexarbeiterinnen oder Drogenkurierinnen einsetzen. Therapeutinnen glauben auch, dass die Frauen von den Tätern dazu gebracht worden seien, satanistische Rituale durchzuführen und etwa Blut zu trinken. Die Schilderungen bestätigen mehrere Mitarbeitende sowie Patientinnen, aber auch diverse Akten, die dem Regionaljournal vorliegen.
Was ist das Problem? Es gibt keine Beweise, dass die betroffenen Frauen tatsächlich durch satanistische Tätergruppen missbraucht oder zur Prostitution gezwungen wurden. Die Frauen erinnern sich selbst nicht daran, was passiert sein soll. Für eine betroffene Patientin ist klar: Die Geschichte entstand in der Therapie. Die Therapeutin habe immer wieder gesagt, sie müsse verdrängte Erinnerungen hervorholen. «Erst später habe ich realisiert, dass die Geschichte gar nicht stimmt. Ich war empfänglich dafür, weil ich psychisch instabil bin», so die Frau zu SRF.
Was sagen die Kliniken? Der ärztliche Direktor der Privatklinik Meiringen, Thomas Müller bestätigt, dass Fachleute in seiner Klinik Patientinnen wegen Folgen ritueller Gewalt behandelt haben. Die Klinikleitung habe das Problem erkannt und gehandelt. Seit zwei Jahren würden keine solchen Behandlungen mehr durchgeführt.
Weiterhin angewendet wird diese Theorie aber am Psychiatriezentrum Münsingen, bestätigen mehrere Mitarbeitende sowie Patientinnen und diverse Akten. Das PZM schreibt, man untersuche seit März entsprechende Therapien und habe bereits «Massnahmen zur Qualitätssicherung» eingeleitet.
Die Klinik Littenheid schreibt in einer Stellungnahme, man habe «aufgrund des Vorwurfs gegen einen Oberarzt umgehend eine Visitation eingeleitet.»