- Das Obergericht bestätigt die Urteile der Erstinstanz im Berner Rockerprozess.
- Das Gericht hätte eigentlich gern höhere Strafen ausgesprochen, durfte das jedoch nicht.
- Die Staatsanwältin übt Selbstkritik.
Im Rockerprozess hat das Berner Obergericht am Donnerstag die erstinstanzlichen Urteile vollumfänglich bestätigt. Eigentlich hätte das Obergericht gern höhere Strafen ausgesprochen, sagte die Präsidentin des Gerichts. Eine Verschärfung der Strafen war allerdings nicht möglich.
Dies, weil die Staatsanwaltschaft bei den sechs Beschuldigten keine Anschlussberufung einlegte. Alle sechs Angeklagten wurden demnach schuldig gesprochen.
Selbstkritik der Staatsanwältin
«Im Nachhinein hätten wir wohl Berufung einlegen sollen», sagte die Staatsanwältin Franziska Müller gegenüber SRF. Aber das Wichtigste für sie seien die Schuldsprüche.
Moritz Müller, der Anwalt von einem der Beschuldigten, kritisierte das Obergericht: «Ich bin enttäuscht. Ich habe vergebens auf die Begründung zum Rechtlichen gewartet.»
Ein Rechtsstaat darf keine Schattengesellschaften dulden, in denen eigene Gesetze herrschen.
Das Obergericht hat fünf Rocker wegen Raufhandels zu bedingten Freiheitsstrafen von mehreren Monaten verurteilt, mit unterschiedlich langen Probezeiten. Beim sechsten Beschuldigten wurde die unbedingte Strafe von acht Monaten bestätigt.
«Ein Rechtsstaat darf keine Schattengesellschaften dulden, in denen eigene Gesetze herrschen», sagte die Präsidentin als Begründung. Es gehe hier nicht um die Mitgliedschaft bei einem Turnverein oder um eine spontane Schlägerei mit zufälliger Beteiligung, sondern um eine Schattengesellschaft, die sich um die Regeln foutiere.
Polizei mit Grossaufgebot vor Ort
Für das Gericht steht die Teilnahme der Beschuldigten an der blutigen Fehde 2019 in Belp BE fest. Und auch, dass die Hells Angels die Bandidos daran hindern wollten, in der Schweiz Fuss zu fassen.
Am Donnerstag bei der Urteilsverkündung befanden sich die Mitglieder der beiden verfeindeten Motorradklubs erstmals am Obergericht im selben Saal. Die Polizei war mit einem Grossaufgebot vor Ort, laut SRF-Reporterin blieb alles ruhig.
Beim erstinstanzlichen Prozess 2022 am Regionalgericht Bern-Mittelland standen 22 Angeklagte vor Gericht. Während die Verhandlungen damals liefen, gingen vor dem Gerichtsgebäude um die 200 Männer – Hells Angels und Bandidos – aufeinander los. Die Kantonspolizei Bern schaffte es nur dank eines Grossaufgebots, die verfeindeten Motorradclubs zu trennen.
Die Urteilsverkündung hingegen lief friedlich ab. Der Hauptangeklagte, ein Bandido, wurde wegen versuchter vorsätzlicher Tötung und Raufhandels zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Weitere Rocker erhielten bedingte, teilweise unbedingte Freiheitsstrafen.
Schweigende Rocker am Obergericht
15 Rocker legten Berufung ein, rund die Hälfte davon zog wieder zurück. Ende Januar waren noch sechs Rocker – zwei Hells Angels und vier Bandidos – vor Obergericht, um ihre Verurteilung wegen Raufhandel anzufechten. Fünf waren zu bedingten Freiheitsstrafen von mehreren Monaten verurteilt worden.
Vom Obergericht erhofften sie sich einen Freispruch. Der sechste Mann hoffte, dass seine Strafe milder ausfällt. Die Befragungen während der Berufungsverhandlung Ende Januar war nicht sehr ergiebig, weil die Beschuldigten konsequent die Aussage verweigerten.
Während der Verhandlung Ende Januar blieb es vor dem Gerichtsgebäude in Bern ruhig.