Wenn Rudolf Hauri an den Medienkonferenzen des Bundesamtes für Gesundheit das Wort ergreift, dann tut er dies ruhig aber mit klaren Botschaften. Ende November etwa, als er die Bevölkerung dazu aufrief, sich öfters testen zu lassen: «Die Testkapazitäten sind mittlerweile ausgebaut und sie sind gut. Scheuen Sie den Test also auch bei geringen Symptomen nicht.»
Der Mann mit dem markanten grau-weissen Bart ist mittlerweile einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, seit Beginn der Coronavirus-Pandemie sieht man den Zuger Kantonsarzt und Präsidenten aller Kantonsärzte und -ärztinnen regelmässig über den Bildschirm flimmern.
Herausfordernde Scharnierfunktion
Das Scheinwerferlicht meidet der 60-Jährige nicht. Durch die neu gewonnene Bekanntheit bekomme er direkt mit, was die Leute in der Pandemie beschäftigt. Seit man ihn von den Bundes-Medienkonferenzen kenne, werde er regelmässig angesprochen, so Hauri. Es gebe zwar schon Leute, die ihm dann ihre eigenen Gedanken zu den Massnahmen ans Herz legen. Doch: «Durchaus auf einem angenehmen Niveau.»
Kantonsärztinnen und Kantonsärzte befinden sich aktuell in einer Scharnierfunktion, die sehr herausfordernd ist. Einerseits müssen sie gegenüber von Spitälern, Apothekerinnen und Ärzten eine gemeinsame Vorgehensweise durchsetzen, die von der Regierung vorgegeben ist. Andererseits müssen sie für die Kantonsregierung die aktuelle Lage immer wieder neu einschätzen und Empfehlungen abgeben.
Selbstbewusst und doch selbstkritisch
Aufgrund ihrer beratenden Rolle stehen die Kantonsärztinnen und Kantonsärzte zurzeit also auch unter grossem Druck. Druck, auf den die eine oder der andere nicht vorbereitet sei. Verschiedene Kantonsärzte und Kantonsärztinnen haben im Verlauf des letzten Jahres ihr Amt abgegeben.
Neben der hohen zeitlichen Belastung könne auch die plötzliche Öffentlichkeit ein Grund für die Rücktritte sein, sagt der oberste Kantonsarzt. Auf einmal stünden Personen, die für gewöhnlich im Hintergrund arbeiteten, im Scheinwerferlicht. Das liege nicht jeder Person, sei aber wichtig. «Die Kantone spielen eine wichtige Rolle in der Bekämpfung der Pandemie, also soll man sie auch wahrnehmen.»
Das Virus unterscheidet ja nicht, in welchem Kanton oder welcher Gemeinde es ist.
Rudolf Hauri tritt selbstbewusst auf, gibt sich aber auch selbstkritisch. Zum Beispiel bei der Frage, was die Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte besser hätte machen können. Anfangs Oktober habe man zu zaghaft auf die sprunghafte Entwicklung der Fallzahlen reagiert, so Hauri. «Da hätten wir noch eindringlicher auf Massnahmen drängen sollen, muss ich im Nachhinein zugeben.»
Weniger Förderalismus?
Und so habe dann jede Kantonsregierung für sich geschaut. Man müsse sich wirklich überlegen, ob von Kanton zu Kanton unterschiedliche Regeln künftig noch vertretbar seien. «Das Virus unterscheidet ja nicht, in welchem Kanton oder welcher Gemeinde es ist. Es muss eine Diskussion geführt werden, ob der Spielraum verkleinert werden soll, damit man in der Schweiz schneller reagieren kann.»
Der oberste Kantonsarzt plädiert also für etwas weniger Föderalismus. Nach dem Ende der Pandemie brauche es jedenfalls eine umfassende Analyse, so Hauri – und zwar auch zur zukünftigen Rolle der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte.