War der erste vom Bundesamt für Gesundheit BAG kommunizierte Corona-Fall tatsächlich der erste in der Schweiz? Man vermutete schon damals, dass es womöglich nicht wirklich der erste Fall war – was sich kurz darauf bestätigte, als es den ersten Todesfall gab. Man wusste, dass eine verstorbene Person zwangsläufig viele weitere Fälle bedeutet, die womöglich nur leicht erkrankt waren, und die man nur zum Teil bemerkt hatte.
Was wusste man über die Ansteckungswege? Es war zunächst nicht klar, ob das Virus über Gegenstände und Oberflächen übertragen wird, ob weit tragende Aerosole die Hauptrolle spielen oder doch hauptsächlich Tröpfchen, die nur Übertragungen über kurze Distanzen ermöglichen. Auch war unklar, wie ansteckend es sein würde. Aber immerhin: Zur Zeit, als der erste Fall in der Schweiz bekannt wurde, war die genetische Sequenz von SARS-CoV2 bereits bekannt und es gab auch schon einen spezifischen Test auf das Virus – und das bloss acht Wochen nach den ersten Meldungen.
Am 15. März verordnete der Bundesrat den Shutdown – auf welcher wissenschaftlichen Grundlage? Vieles war noch unklar, doch es war deutlich geworden, dass das Virus, wenn es mal da war, schnell starke Wellen auslösen konnte. Das war die Erfahrung in Wuhan, und das zeigte sich in diesen Tagen in Norditalien, wo die Fall- und Todeszahlen nach oben schnellten. Der Faktor Zeit war also entscheidend, es musste schnell gehen. Viele Fachleute haben die Situation damals mit der eines Notarztes verglichen, der mit suboptimaler Wissensgrundlage schnell entscheiden muss.
Wie gut waren die Informationen aus China? Einerseits chaotisch. Die offiziellen Fallzahlen waren gerade von 4000 auf 20'000 korrigiert worden. Praktisch gleichzeitig lag aber auch die erste, grosse Studie mit gut 70'000 Patienten aus China vor. Die Mediziner errechneten damals eine Fallsterblichkeit von gut zwei Prozent – mit einer deutlich höheren Sterblichkeit bei den über 80-Jährigen. Von hier aus sehr schwer einzuschätzen war dabei die Dunkelziffer: Falls viele Fälle übersehen oder auch unterschlagen worden wären, wäre die Sterblichkeit viel tiefer – falls im ganzen Durcheinander viele Tote nicht mitgezählt worden wären, läge sie womöglich höher. Das war zu diesem Zeitpunkt völlig offen.
Wann kamen die Impfstoffe? Zehn Monate später wurde mit dem Impfstoff von Pfizer/Biontech das erste Vakzin zugelassen, kurz darauf jenes von Moderna. Dass das so schnell gehen würde, hatte im Februar 2020 niemand zu prognostizieren gewagt. Man ging von mindestens einem ganzen Jahr aus, auch weil es zuvor noch nie erfolgreiche Impfstoffe gegen Coronaviren gegeben hatte. Ohne die neue mRNA-Technik hätte es vermutlich längst nicht so schnell wirksame Impfstoffe gegeben. Kurz darauf lieferten auch mit grundlegend anderen Techniken hergestellte Impfstoffe Wirksamkeitsdaten – allerdings lange nicht so gute wie die beiden ersten.
Vieles war am Anfang nicht bekannt – gibt es auch Dinge, die man eigentlich wusste, und besser hätte machen können? Vielleicht einige generelle Punkte im Umgang mit Information und Unsicherheit. Es ist nicht leicht, in einer Krisensituation laut und deutlich zu sagen, dass man vieles noch nicht weiss. Aber das war nun mal so. Man wusste zunächst wenig über das Virus selbst, über die Erkrankung, aber auch über den möglichen Nutzen von Masken oder darüber, wie stark Kinder als Treiber der Pandemie wirkten. Später galt das für die Impfstoffe. Das Wissen entwickelte sich erst mit der Zeit. Das hätte man besser kommunizieren können, vielleicht müssen.