Seit Viertel vor acht sitzt Lukas Regli schon an seinem Schreibtisch. Wann der Arbeitstag vorbei sein wird, weiss er nicht. Das sei in letzter Zeit häufiger der Fall. Seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges ist der Sanktions-Experte im Seco gefordert. Trotzdem betont Regli: «Das ganze Team ist überzeugt, dass wir mit diesen Sanktionen unseren kleinen Teil dazu beitragen können, dass die Situation in der Ukraine sich hoffentlich bald verbessert.»
Ressourcenmangel beim Seco
Doch das Seco könnte mehr tun, sagt Stefan Lenz. Für die Bundesanwaltschaft leitete der Jurist grosse Geldwäscherei-Untersuchungen. Lenz weiss, wie aufwendig das Aufspüren versteckter Gelder ist. Bei der Bundesanwaltschaft hätten 20 Ermittler gemeinsam einen Fall unter die Lupe genommen. Genau gleich viele Mitarbeitende kümmern sich nun beim Seco um die Umsetzung der Russland-Sanktionen – diese betreffen aber über 1'000 sanktionierte Personen.
«Das Seco ist nicht vorbereitet für die Umsetzung solch riesiger Massnahmen», sagt Lenz. Dem Seco könne man dabei aber keinen Vorwurf machen, so Lenz weiter, denn die Ressourcen seien ihm von der Politik zugewiesen worden. Er ist überzeugt, dass mehr Personal grossen Nutzen bringen könnte: «Die Erfolgsaussichten, dass man wirklich erhebliche Vermögenswerte zusätzlich finden würde, die wären sehr gross.»
Kritik aus dem Parlament
Dass dem Seco das Personal für eine griffige Umsetzung von Sanktionen fehlt, ist auch in der Politik schon länger bekannt. Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates kritisierte 2018 in einem Bericht, dass nicht genügend kontrolliert werde. Das sei aber nur mit mehr Personal machbar, erklärte der Bundesrat. In der Krise hat man nun zusätzliches Personal beigezogen. Früher sei eine Person allein für die Russland-Sanktionen zuständig gewesen, inzwischen seien es 20, erklärt Erwin Bollinger vom Seco. Er leitet den Bereich bilaterale Wirtschaftsbeziehungen und hat das Ressort Sanktionen unter sich.
Dass man mit mehr Personal mehr erreichen könne, bezweifelt er aber. Die Banken hätten grosse Compliance-Abteilungen, welche die Gelder von sanktionierten Personen suchten, sperrten und dem Seco meldeten. Das Seco könne nicht immer überprüfen, ob die Gelder wirklich gesperrt seien: «Sie müssten mit 500 Leuten in jede Bank gehen. Das ist nicht die Idee.» Denn das System beruhe auf der Meldepflicht.
Falsches Rollenverständnis?
Auf die Meldepflicht beruft sich das Seco gegenüber der «Rundschau» wiederholt. Jeder, der von Geldern wisse, müsse sie melden und man gehe davon aus, dass dies auch so gemacht werde, so der Tenor. «Es ist auch nicht so, dass neben jeder Ampel ein Polizist steht und schaut, ob nicht bei Rot über die Strasse gelaufen oder gefahren wird», argumentiert Regli. Bei Hinweisen auf Verstösse würden aber Ermittlungen aufgenommen. Wie das Seco bestätigt, laufen bereits erste Verfahren.