Der Verdacht kursiert schon länger, nun hat er sich erhärtet: Rohstoff-Handelsunternehmen sollen die Schweizer Russland-Sanktionen umgangen haben mittels Tochtergesellschaften, zum Beispiel in den Vereinigten Arabischen Emiraten oder anderen Golfstaaten. Der Hintergrund: Die Schweiz hat den Handel mit russischen Rohstoffen eingeschränkt. Wie in der EU gelten für russisches Öl und andere Erdöl-Produkte zum Beispiel Preis-Obergrenzen. Das Ziel: Russland soll weniger Geld zur Verfügung stehen für seine Kriegswirtschaft.
Wegen dieser Sanktionen haben Rohstoff-Handelsfirmen Geschäfte verlagert – weg von Schweiz, hin zu Tochterfirmen, namentlich in den Golfstaaten. Denn diese Länder haben keine vergleichbaren Sanktionen verhängt gegen Russland. Die Sanktionen so zu umgehen, kann illegal sein: Wenn zum Beispiel Gelder fliessen zwischen der Muttergesellschaft in der Schweiz und der Tochtergesellschaft im Ausland. Oder wenn aus der Schweiz heraus geschäftliche Anweisungen an die Tochterfirma gehen.
Seco stuft Verstösse als besonders schwer ein
Das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco hat seit längerem mindestens drei Rohstoff-Handelsfirmen im Visier wegen möglicher Verstösse gegen die Sanktionen. Nun hat sich der Verdacht bei zwei Unternehmen stark erhärtet: Das Seco stuft die Verstösse als besonders schwer ein und hat seine Ermittlungsergebnisse deshalb an die Bundesanwaltschaft übergeben zur weiteren Strafverfolgung. Zuverlässige Quellen bestätigen diese Recherche von SRF.
Busse bis zu 1 Million Franken
Die zwei Rohstoff-Fälle könnten zur Premiere werden: Denn noch nie seit Inkrafttreten der Russland-Sanktionen hat die Bundesanwaltschaft vom Seco Ermittlungen übernommen wegen Verstössen. Möglich ist das laut Embargogesetz nur in besonders schweren Fällen – leichte Verstösse ahndet das Seco selbst.
Die Bundesanwaltschaft und das Seco äussern sich noch nicht zu den zwei Fällen. Die Bundesanwaltschaft schreibt auf Anfrage lediglich, es würden derzeit verschiedene Abklärungen laufen. Als erster Schritt hat die Bundesanwaltschaft zu entscheiden, ob sie ein formelles Verfahren einleitet.
Radio SRF kennt den Namen einer der beiden Rohstofffirmen, die im Visier der Strafverfolgung sind. Das Unternehmen lässt über einen Anwalt ausrichten: Es sei von der Bundesanwaltschaft bislang nicht kontaktiert worden. Den Unternehmen droht als Höchststrafe eine Busse von 1 Million Franken. Es gilt die Unschuldsvermutung.