- Die Bundesanwaltschaft (BA) ermittelt in mehreren Verfahren wegen des Verdachts auf Wahlfälschung.
- Es geht darum, dass kommerzielle Unternehmen Unterschriften für Volksinitiativen gefälscht haben sollen, wie die Tamedia-Zeitungen berichten.
- Wahlfälschung kann mit Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft werden.
«Die Verfahren laufen zurzeit gegen verschiedene natürliche Personen und gegen Unbekannt. Im Rahmen der betreffenden Verfahren haben die BA und fedpol verschiedene Zwangsmassnahmen durchgeführt, insbesondere Hausdurchsuchungen und Einvernahmen», schreibt die BA auf Anfrage von SRF News. Weil das Verfahren läuft, macht die Behörde keine weiteren Angaben. Zudem gelte die Unschuldsvermutung.
Die Tamedia-Zeitungen berichten, dass bei der Unterschriftensammlung für die Service-Citoyen-Initiative viele ungültige Unterschriften zusammengekommen seien. Demnach habe das Initiativkomitee die Organisation Incop damit beauftragt, 10'000 Unterschriften «mit Validierung» zu sammeln – für 4.50 Franken pro Stück. Nachdem Incop die gesammelten Unterschriften beim Komitee deponiert hatte, stellten sich viele davon als ungültig heraus. Je nach Gemeinde waren 35 bis mehr als 90 Prozent ungültig.
Die Personen hinter der Service-Citoyen-Initiative schöpften Verdacht und forschten nach. Am 14. Juni 2023 reichte das Komitee bei der BA eine Strafanzeige gegen Incop, deren Chef Franck Tessemo und gegen Unbekannt ein. Das haben die Tamedia-Zeitungen nun publik gemacht. Von Incop lag keine Stellungnahme vor.
Die «Rundschau» von SRF hatte bereits im Februar 2023 über die Praktiken von Incop berichtet.
Die Vermutung liegt nahe, dass auch bei der Unterschriftensammlung für zahlreiche andere Initiativen und Referenden betrogen wurde – mutmasslich von Sammlerinnen und Sammlern von Incop, aber auch von anderen Organisationen, die kommerziell sammeln, wie die Zeitungen schreiben. Die BA nannte in ihrer Stellungnahme keine konkreten Initiativen oder Organisationen.
Es soll verschiedene Arten geben, wie betrogen wird. Laut der Recherche würden die fehlbaren Sammlerinnen und Sammler etwa die Anschriften bei Briefkästen von Hochhäusern abschreiben und willkürlich Geburtsdaten nachtragen. Weit schwieriger als Betrug festzustellen ist, wenn gültige Personalien von einer Unterschriftensammlung in eine andere kopiert werden.
Frühe Fälle in der Romandie
Besonders gross scheint das Problem in der Westschweiz zu sein. In der Romandie ist das Phänomen mit fingierten Unterschriften laut Zeitungsbericht zuerst aufgetaucht. In der Waadt hätten auch mehrere Sammelorganisationen ihren Sitz.
Die Waadtländer Kantonsverwaltung sagte gegenüber den Tamedia-Zeitungen, dass Anfang 2019 Gemeinden erste mögliche Betrugsfälle gemeldet hätten. Ende Sommer 2022 seien die Fälle zahlreicher geworden. Die Behörden haben eine Liste vorgelegt, mit jenen Dutzend Volksbegehren, bei denen sie am meisten fingierte Unterschriften festgestellt haben.
Der Betrug beschäftigt auch die Bundeskanzlei. Seit letztem Winter erhalte sie «auch zunehmend Verdachtsmeldungen aus der Deutschschweiz», schreibt sie laut den Tamedia-Zeitungen. Auch die Stadt Zürich teilte gemäss dem Bericht mit, sie habe seit Jahresbeginn «eine Häufung vermutlich fingierter Einträge festgestellt». Gleich töne es demnach in der Stadt Bern.