Die SBB will neue Kameras auf den Bahnhöfen installieren, welche die Besucherinnen und Besucher filmen und deren Gesichter erkennen. Das berichtet der Ktipp. Laut SBB geht es dabei um ein Kundenfrequenz-Messsystem, um die Personen besser durch den Bahnhof zu leiten, es interessiere aber nicht, wer diese Person sei. Damit sei der Datenschutz gewährleistet. Die Datenschutzberaterin und Dozentin an der Hochschule Luzern, Ursula Uttinger, sieht das etwas differenzierter.
SRF News: Was macht die SBB mit den Filmaufnahmen?
Ursula Uttinger: Das ist die Frage. Schaut die SBB bloss, wann wo wie viele Personen vorbeigehen und wie sie sich verhalten – um die Wege möglichst freizuhalten, oder interessiert die SBB, wer was macht. Geht es also rein um das statistische Erfassen, wo die Leute durchlaufen, oder geht es um das persönliche Verhalten des Einzelnen.
Wieso braucht es dazu überhaupt Kameras?
Eine Kamera kann durchaus Sinn machen, wenn es darum geht, herauszufinden, wie sich die Pendlerströme bewegen.
Welches sind die spannendsten Daten, die mit solchen Kamerasystemen erhoben werden können?
Wenn man von einer bestimmten Person weiss, wie sie sich verhält und man zu ihrem Verhalten allenfalls Vorhersagen machen kann, wird es interessant. Wenn man eine bestimmte Kundin also triggern kann, etwas Bestimmtes zu kaufen, wird sie zur «besseren» Kundin.
Richtet die SBB ihre Bahnhöfe mithilfe von Kameras kundenfreundlicher ein, ist dies auf den ersten Blick ja gar nicht so schlimm. Wo liegt da das Problem?
Man möchte sich bewegen können, ohne dass einen eine Kamera erfasst und ohne dass jemand nachverfolgen kann, wo man hingeht und was man macht.
Jede Kamera ist eine Kamera zu viel.
Mit den neuen technischen Möglichkeiten besteht aber die Gefahr, dass wir eine immer stärker überwachte Gesellschaft werden. Abschreckendes Beispiel ist China mit seinem Social Scoring. Trotzdem gehen auch wir in diese Richtung. Insofern ist jede Kamera eine Kamera zu viel.
Was ist zu tun, damit es bei uns nicht so weit kommt wie in China?
Wir brauchen eine Sensibilisierung der Bevölkerung in dem Sinne, dass den Leuten klar wird, dass ihre Daten im Grunde nur ihnen gehören, ausser sie geben einem Dritten gewisse Daten frei. Grundsätzlich sollte man mit seinen Daten etwas weniger freizügig umgehen, als das heute der Fall ist.
Haben wir in den letzten Jahren unsere Daten nicht sowieso schon verschenkt, etwa durch soziale Medien? Ist es also nicht sowieso zu spät, unsere Daten noch zu schützen?
Wir sollten nicht aufgeben, denn es kommen immer neue Gesetze, bei denen wir uns fragen sollten, ob wir das wollen, was sie regeln. Man sollte sich auch bei den Smartphone-Einstellungen und den Apps datensensibel verhalten.
Man sollte sich auch bei den Smartphone-Einstellungen und den Apps datensensibel verhalten.
Mit der Revision des Datenschutzgesetzes wird es zudem einfacher, gegen möglichen Datenmissbrauch zu klagen, oder es besteht die Möglichkeit, sich an den Datenschutzbeauftragten zu wenden. Wir sollten hier sensibler werden.
Wo führt das Ganze noch hin?
Ich gehöre zur Generation, die George Orwells «1984» gelesen hat und entsetzt war angesichts der dort beschriebenen umfassenden Überwachung durch den Staat. Und heute habe ich manchmal das Gefühl, ich wäre froh, wir hätten nur «1984».
Heute habe ich manchmal das Gefühl, ich wäre froh, wir hätten nur ‹1984›.
Böse Stimmen sagen, in Zukunft würden Neugeborene gechippt, damit sie ihr Leben lang jederzeit auffindbar seien. Ich denke, wir müssen das Thema Daten immer wieder sehr kritisch hinterfragen. Denn alle Daten können sowohl für ein positives als auch für ein negatives Ziel gebraucht oder missbraucht werden. Die Frage ist: Nutzen wir die Daten positiv oder negativ?
Das Gespräch führte Daniela Püntener.
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